Nach der Lobby-Arbeit ist vor der Lobby-Arbeit: Noch kurz bevor das Europäische Parlament am Mittwochabend den potenziell historischen Beschluss fasste, den Verkauf neuer Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 ausnahmslos verbieten zu wollen, wurde laut Beobachtern kräftig darum gerungen. Letztlich gab es weder für eine CO2-Reduktion um nur 90 Prozent eine Mehrheit noch eine Ausnahme für rechnerisch CO2-freie E-Treibstoffe. Aber das letzte Wort darüber ist noch lange nicht gesprochen – und für Deutschland kündigte als Mitglied der Ampel-Koalition der FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner Widerstand gegen ein komplettes Verbot neuer Verbrenner an.
FDP leistet Elektroauto-Widerstand
Schon in dem schnell ausgehandelten Koalitionsvertrag hatte man neben viel grüner Handschrift auch die der FDP erkennen können: Außer auf das Ziel von 15 Millionen reinen Elektroautos einigte sich die Ampel auch darauf, dass nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge auch nach 2035 noch zugelassen werden können. Verbrenner sollten also nicht verboten werden, sondern nur jeglicher CO2-Ausstoß. Mit Elektro-Treibstoffen ist das rechnerisch möglich, weil sie mit Hilfe des Treibhaus-Gases produziert werden. Der Energie-Aufwand pro Kilometer ist aber deutlich höher als bei einer direkten Verwertung von erneuerbarem Strom in Elektroautos.
Besonders viele Anhänger hat das Konzept deshalb nicht mehr, und auch die europäische Lobby-Kraft dahinter reichte offensichtlich nicht aus, um die Ausnahme für E-Verbrenner in den Beschluss des Parlaments zu bringen. Aber damit bleibt immer noch die nationale Ebene. Und für die in Deutschland kündigte, nachdem er derlei Elektroauto-Widerstand bislang Verkehrsminister Wissing überlassen hatte, der Finanzminister und FDP-Parteichef Lindner an, sich gegen das Verbrenner-Verbot einsetzen zu wollen.
https://twitter.com/c_lindner/status/1534854207181930501
Verkehrsminister Wissing hatte sich schon vorher als Elektroauto-Bremser gezeigt, indem er im Januar versuchte, das Ziel von 15 Millionen vollelektrischen Autos 2030 im Koalitionsvertrag als auch Plugin-Hybride umfassend umzudeuten. Wenig später nahm er eine frühere Aussage praktisch zurück, die Entscheidung für reine Elektroautos (und damit gegen E-Fuels) sei schon gefallen. Und nachdem jetzt das EU-Parlament trotzdem nicht im Sinn der FDP entschied, schaltete sich der Partei-Vorsitzende Lindner ein: Der Beschluss widerspreche dem deutschen Koalitionsvertrag, schrieb er am Donnerstag auf Twitter, und forderte von sich und dem Rest der Bundesregierung, auf Technologie-Offenheit zu drängen.
Verwässertes Verbrenner-Verbot möglich
Enttäuscht über das Europa-Parlament hatte sich vorher auch der deutsche Auto-Verband VDA geäußert, also wird offensichtlich, in wessen Sinn die FDP agiert. Dazu wird sie auch nach dem Beschluss noch Gelegenheit haben, denn zunächst wird jetzt mit den Mitgliedsstaaten verhandelt, ob sie das Ziel für 2035 national unterstützen. Das soll bis Ende Juni entschieden sein, und dann folgen nicht vor September neue Verhandlungen über mehrere Monate auf Ebene der EU, schreibt die Agentur Bloomberg. In Deutschland hatte sich die Ampel-Koalition nach Berichten im Februar eigentlich darauf verständigt, das EU-Ziel von 0 Gramm CO2 ohne Ausnahme für E-Fuels mitzutragen, bis Wissing es wieder in Frage stellte. Also könnte die FDP entscheidend dazu beitragen, dass das historische Verbrenner-Verbot in der EU noch auf sich warten lässt – oder doch nur in mit E-Fuels verwässerter Form kommt.