Henry Ford hat es als Visionär der Massen-Produktion in die Geschichtsbücher gebracht – und auch Elon Musk dürfte sich mit dem Vorantreiben der Welt zu Elektroautos und sauberem Strom schon einen Platz darin gesichert haben. Wie der Tesla-Chef selbst einige Male erwähnte, haben sein Unternehmen und das 1903 von Ford gegründete sogar eine wichtige Gemeinsamkeit: Sie seien die einzigen beiden US-Autohersteller, die noch keine Insolvenz hinter sich haben. Ebenfalls ähnlich wie anfangs Ford schwimmt Tesla derzeit auf einer riesigen Welle des Erfolgs, und CEO Musk ist damit so reich wie prominent geworden. Manche Beobachter hatten allerdings zuletzt den Eindruck, all das sei ihm zu Kopf gestiegen – und ein Kolumnist sieht auch darin Parallelen zu Henry Ford, der später aus dem Unternehmen gedrängt werden musste.
Henry Ford wollte Energie-Dollar
Heute kennt man den Ford-Gründer hauptsächlich als Erfinder des Model T und damit verbunden als Wegbereiter für Massen-Mobilität, die er zudem durch relativ hohe Löhne unterstützte. Das heutige Unternehmen Ford berief sich vor einiger Zeit auf den Gründer als „ultimativen Disruptor“, als es um seine Chancen gegen Tesla ging. Weniger bekannt, aber seinem Wikipedia-Eintrag zu entnehmen ist, dass Henry Ford keine Gewerkschaften in seinen Fabriken wollte. Das ist eine deutliche Gemeinsamkeit mit Tesla-Chef Musk – wobei der anders als im Jahr 1932 Ford keine Sicherheitsleute auf protestierende Arbeiter schießen ließ.
In einem Beitrag von dieser Woche zählt der Bloomberg-Kolumnist Stephen Mihm weitere wenig bekannte und unschöne Seiten von Henry Ford auf, die sich in der Zeit nach seinem großen Anfangserfolg zeigten oder entwickelten. So wie Elon Musk sei er zunächst schüchtern und unsicher gewesen, dann aber ab 1910 zum Volkshelden geworden. Unterstützt von PR-Beratern habe der Innovator die Überzeugung entwickelt, es sei gut, wenn die Leute über ihn sprechen, unabhängig vom Inhalt. Ähnlich hat Musk zu seinen gelegentlich schwer nachvollziehbaren Twitter-Aktivitäten erklärt, Tesla profitiere von der Aufmerksamkeit, die das schafft.
Außerdem begann Ford ab den 1920er Jahren verschiedene Nebenprojekte, aus denen selten etwas wurde, berichtet der Bloomberg-Kolumnist weiter. So wollte er vom Staat einen Staudamm mieten, um mit Strom aus Wasserkraft einen armen Landstrich im US-Bundesstaat Alabama zu beleben. Das wollte er mit einem Energie-Dollar basierend auf der dort erzeugten Energie finanzieren. Auch das erinnert an den Tesla-Chef, der im vergangenen Jahr kurz sein Interesse an Kryptowährungen entdeckte, das mittlerweile aber deutlich nachgelassen zu haben scheint.
Tesla-Chef Musk vermehrt auf Nebenwegen
Weitere späte Ford-Projekte hören sich ebenfalls eher nach Ego-Trip an als nach einer Mission für alle. Laut Bloomberg begann er mit dem Aufbau eines großen historischen Museums in seiner Heimatstadt Dearborn. Bis zur Eröffnung mitten in der Großen Depression soll er heutige 1 Milliarde Dollar investiert haben – für kaum mehr als ein Lager voller Dinge, die ihn an seine Kindheit erinnerten. Außerdem kaufte Ford eine Zeitung, machte sie groß und ließ sie unter anderem eine Serie antisemitischer Verschwörungsartikel drucken. Sein berühmtes Unternehmen soll inmitten all der Berühmtheit und Kontroversen in Vergessenheit geraten sein und der Gründer fähige Fachleute mit Ja-Sagern ersetzt haben.
Als eine Art Gegenentwurf kam dann der Ingenieur und kühle Rechner Alfred P. Sloan. Aus unabhängigen Marken formte er General Motors und nahm mit jährlich neuen Modellen Ford mit lange Zeit nur dem Model T 1929 die Marktführerschaft ab. Der Gründer leistete sich laut Bloomberg weitere „bizarre“ Projekte wie eine neue Stadt im brasilianischen Regenwald (was entfernt an die Musk-Aussage erinnert, die Tesla-Fabrik in Texas solle zu einem „Öko-Paradies“ für Besucher werden). Letztlich wurde Ford von der Familie aus dem Unternehmen gedrängt und das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg von externen Managern wieder auf die Spur gebracht.
Auch Elon Musk scheint sich in letzter Zeit gehäuft Ideen abseits von Tesla (sowie SpaceX und Boring, die bei ihm ohnehin noch hinzukommen) zuzuwenden sowie Sachen zu erzählen, die ihm nur noch ein engster Kreis abnimmt. So bestand er bei einer Konferenz Mitte April darauf, die Wahrheit gesagt zu haben, als er im August 2018 die Finanzierung für einen möglichen Tesla-Wegkauf von der Börse als gesichert bezeichnete; ein Richter in einem Prozess darum hielt aber ungefähr zur gleichen Zeit fest, dass die Aussage „irreführend“ gewesen sei. Derzeit ist Musk in einen Twitter-Kaufversuch mit einem verbindlichen und vom Board akzeptierten Angebot verwickelt, das er plötzlich für ausgesetzt erklärte. Das Argument dafür sind von Twitter genannte Daten zum Anteil seiner Spam- und Bot-Nutzer, die sich seit Jahren nicht verändert haben und stets mit Hinweisen auf ihren ungenauen Charakter veröffentlicht wurden.
Nicht alles bei Tesla und Ford vergleichbar
Der Bloomberg-Kolumnist kommt zu dem Schluss, dass Musk schon den Atem der Geschichte in seinem Nacken spüren könne. Mit Tesla drohe er wie Ford die führende Stellung zu verlieren, wenn er weiter Berühmtheit suche und sich Nebenprojekten widme. Und ausgerechnet Ford sei heute das Unternehmen, das am besten positioniert sei, um Tesla bei Elektroautos zu überholen: Die heutige Führung dort sei ganz anders als Henry Ford, also für Musk umso gefährlicher.
Irgendwo dürften die Parallelen eistweilen allerdings auch enden: Laut der Kolumne leistete sich der Ford-Gründer unter anderem den Fehler, die Produktion mit eigenen Minen und Wäldern zu stark vertikal zu integrieren. Auch Tesla macht tatsächlich viel mehr selbst als andere Elektroauto-Hersteller und will laut Musk wenn nötig auch tief ins Rohstoff-Geschäft einsteigen. Heutzutage sehen das Analysten angesichts allerorten knapper Materialien allerdings eher als Stärke – während sie bei Ford fragen, woher eigentlich die Rohstoffe für die Batterien der neuerdings geplanten vielen Elektroautos kommen sollen.