Der befürchtete „Supergau“ für Tesla in Deutschland ist bislang offenbar ausgeblieben, aber tatsächlich hat das Unternehmen nach Angaben von Anwälten viel mit einem rechtlichen Problem zu tun, das es sich selbst eingebrockt hat: Bis Mitte April fehlte in der vorgeschriebenen Widerruf-Belehrung für Tesla-Käufer die Angabe einer Telefon-Nummer, und das soll zur Folge haben, dass sich die übliche 14-Tage-Frist zur kostenlosen Rückgabe um ein volles Jahr verlängert. Eine Kanzlei meldete dazu jetzt, bereits mehr als 100 deutsche Käufer dabei zu unterstützen und jeden Monat hunderte weitere Anfrage dazu zu erhalten.
Tesla will nicht voll erstatten
Entdeckt hatte die mögliche Lücke in diesem April der Düsseldorfer Rechtsanwalt Matthias Böse und unter anderem die Elektroauto-Vermietung nextmove informiert, die dann den möglichen Supergau für Tesla ins Spiel brachte. Tatsächlich drohten mehrere zehntausend Widerrufe, denn von April 2022 bis Ende März 2023 verzeichnete Tesla rund 75.000 deutsche Neuzulassungen. Der besondere Vorteil dabei aus Kundensicht: Aufgrund des Formfehlers sollte die späte Rückgabe gegen Rückzahlung des vollen Kaufpreises möglich sein.
Zu diesem Zeitpunkt kamen dafür viele vor weniger als einem Jahr und 14 Tagen ausgelieferte Teslas in Frage, aber längst nicht alle: Das Widerrufsrecht gilt nur bei rein telefonischer oder Online-Bestellung und nicht für gewerbliche Kunden, und auch Leasing oder eine Finanzierung können Probleme bereiten, wie Böse erklärte. Zudem ging er davon aus, dass Tesla sich auch in anderen Fällen mit allen Mitteln gegen späte Rückgaben seiner Elektroautos wehren werde. Ein erstes Versäumnis-Urteil hat das Unternehmen nach Angaben auf seiner Website bereits kassiert und geht mit einem Einspruch dagegen vor.
Neben Böse wurden auch andere Juristen auf den Tesla-Patzer aufmerksam, und die Verbraucher-Kanzlei Goldenstein in Berlin meldete am Mittwoch einen Zwischenstand dazu. Demnach unterstützt sie derzeit gut 100 Kunden mit Rückgabe-Wunsch und bekommt jeden Monat hunderte weiterer Anfragen. Zunächst habe Tesla das Ansinnen stets abgelehnt, mittlerweile aber erste Widerrufe nach den regulären 14 Tagen Frist dafür akzeptiert. Allerdings verlange das Unternehmen noch einen pauschalen Wertersatz und eine Nutzungsentschädigung pro Kilometer.
Anwalt: Wertersatz-Forderung ein „Gag“
Genau das ist rechtlich anders als bei einem Widerruf innerhalb der üblichen Frist aber nicht zulässig, schreibt die Goldenstein-Kanzlei. Im Bundesgesetzbuch sei „eindeutig“ geregelt, dass bei nicht ordnungsgemäßer Information über die Kunden-Rechte wie bei Tesla kein Wertersatz vom Kaufpreis abzuziehen sind. Anwalt Böse veröffentlichte auf seiner Seite eine E-Mail an einen widerrufenden Kunden, in der Tesla für zugelassene Fahrzeuge 20 Prozent Abzug plus 55 Cent pro Kilometer in Aussicht stellt. Die Pauschale von 20 Prozent bezeichnet er dabei sogar als „Gag“ und „Unsinn“.
Ähnlich äußerte sich auf Nachfrage von teslamag.de der Geschäftsführer der Inkasso-Firma kedapro, die unter der Marke kleinfee ebenfalls Unterstützung für derartige Tesla-Widerrufe anbietet. Mittlerweile vertrete man in dieser Angelegenheit eine dreistellige Zahl von Kunden, erklärte er. In einigen Fällen habe Tesla die Widerrufe akzeptiert, bei den meisten aber bestritten, dass ein Recht dazu bestehe. Man selbst sei weiterhin der gegenteiligen Ansicht, und ein eingeholtes Rechtsgutachten komme zu dem Schluss, dass auch kein Tesla-Anspruch auf Wertersatz bestehe.