Nach Ansicht von Beobachtern hat sich die Anfang 2020 bekannt gewordene Entscheidung von Tesla, für Elektroautos mit mittlerer Reichweite zunächst in China auf billigere LFP-Zellen zu setzen, als voller Erfolg erwiesen. Tatsächlich haben seitdem auch andere westliche Hersteller einen Teil-Umstieg auf LFP verkündet. Aus europäischer Kundensicht wiederum sah es zunächst so aus, als hätte das seit Oktober 2020 exportierte Model 3 mit LFP-Akku deutliche Lade-Nachteile. Mit einem Software-Update änderte sich das aber bald – und jetzt übertraf einer dieser China-Teslas teils sogar deutlich größere Modelle.
„Wahnsinnige Leistung“ bei China-Tesla
„Das ist eine wahnsinnige Ladegeschwindigkeit“, kommentierte am Donnerstag auf Twitter @tesla_adri das Bildschirm-Foto von einem Bekannten, das nach seinen Angaben dessen Tesla-App beim Laden eines nagelneuen Model 3 Standard Plus aus China an einer EnBW-Station zeigt. Die darauf zu sehende Leistung ist mit 92 Kilowatt nicht spektakulär hoch – aber sie liegt noch bei einem Akku-Stand von 87 Prozent an, und das ist für Tesla und auch Elektroauto-Batterien allgemein ungewöhnlich.
Denn wie beim Laden eines Smartphones wird auch die Stromaufnahme von Elektroautos immer zäher, je mehr sich ihr Akku füllt. Das wird von den Systemen für Batterie-Management so vorgegeben, um eine Überlastung zu verhindern. Tesla neigt dabei dazu, anfangs maximale Leistung zuzulassen und sie dann relativ rasch zu senken. Die jetzt gemeldeten 92 Kilowatt bei 87 Prozent Ladung sind zum Beispiel mehr als beim Tesla Model 3 Long Range mit größerem Akku: Laut einer auf Reddit veröffentlichten Ladekurve sinkt die Leistung hier kurz nach 80 Prozent unter 50 Kilowatt.
That's insane charging speed.
Brand new MiC Model 3 SR+ Refresh with LFP Battery charging at an @EnBW CCS fast charger.
Picture credit:@FelixLangenbac1 pic.twitter.com/RxBSxfco96
— Tesla_Adri (@tesla_adri) June 17, 2021
Weil das Model 3 LR mit 250 Kilowatt startet (die nur von etwa 5-20 Prozent erhalten bleiben), lädt es insgesamt wohl weiterhin schneller. Trotzdem ist die deutsche Entdeckung am EnBW-Lader eine echte Überraschung und Verbesserung. Denn wie die anderen Tesla-Akkus wurde auch der chinesische aus LFP-Zellen nach seinem Start auf niedrigerem Spitzen-Niveau bislang schnell heruntergeregelt. Jetzt soll er anfangs mit etwa 170 Kilowatt geladen haben, was grob dem Höchstwert seit dem Software-Update in diesem Februar entspricht. Doch selbst bei 60 Prozent lag die Leistung laut @tesla_adri noch über 100 Kilowatt und nahm dann bis 90 Prozent kaum ab.
Mehr LFP-Ladetests mit Model 3 kommen
Mehr als das eine App-Foto konnte er zum Beleg nicht anbieten – sein Bekannter habe nicht mit einer derartigen Lade-Überraschung gerechnet und sie deshalb zunächst auch nicht dokumentiert. Auf eine Twitter-Bitte von teslamag.de erklärten sich aber mehrere Besitzer von Model 3 aus China bereit, bald ebenfalls noch einmal ihre Ladeleistung zu überprüfen. Denn zum Freuen auf mehr davon sowie bald möglicherweise auch das Model Y mit LFP-Akkus ist es möglicherweise noch etwas zu früh: Laut einem der an der Diskussion beteiligten Nutzer experimentiert Tesla aktuell nur mit unterschiedlichen Lade-Einstellungen bei unterschiedlichen Autos, um Daten zu sammeln.
https://twitter.com/leberig/status/1406248617984368644
Aktualisierung: Der erste Leser hat auf Twitter eine Rückmeldung zu seinem Supercharger-Test mit LFP-Akku geliefert – leider keine sehr erfreuliche. Er habe es soeben versucht, schrieb @leberig am Samstagnachmittag. Ganz am Anfang habe sein Model 3 kurz die bekannten 170 Kilowatt Spitzenleistung erreicht, dann aber sei sie schnell gesunken und habe bei 70 Prozent Akku-Füllung nur noch etwa 70 Kilowatt betragen.