Mit der Entscheidung von Ford hat sich alles verändert: Als erster Konkurrent gab das Unternehmen in diesem Mai eine Supercharger-Kooperation mit Tesla in Nordamerika bekannt, in der die eigenen Kunden die fremden Säulen zunächst über Adapter nutzen können und neue Elektroauto ab 2025 mit den passenden Buchsen ausgestattet werden. In rascher Folge schlossen sich weitere wichtige Hersteller in den USA an, und inzwischen hat das Supercharger-System gute Chancen, wie von Tesla vorgeschlagen ein offizieller Standard zu werden. In einem YouTube-Interview hat der Ford-Chef Jim Farley jetzt erklärt, welche Überlegungen hinter der Partnerschaft stehen.
Ford mit frühem Supercharger-Interesse
Demnach fühlte Ford bei Tesla schon vor, nachdem das Unternehmen vor zwei Jahren Doug Fields zu sich zurückgeholt hatte. Der ehemalige Apple- und Tesla-Manager hatte seine Karriere bei Ford begonnen und wurde dann Chef der neuen Einheit Model e, die das Elektroauto-Geschäft umfasst. Die frühen Gespräche versandeten, berichtet der CEO von Ford in dem aktuellen Interview mit dem YouTube-Kanal The Kilowatts. Doch nach der Verabschiedung neuer US-Gesetze, die Förderung für freie Tesla-Supercharger ermöglichen, seien sie „wirklich ernsthaft“ wieder aufgenommen werden.
Die Gelegenheit für das Interview ergab sich während einer Testreise, die Farley mit dem elektrischen Pickup F-150 Lightning über 1100 Meilen in Kalifornien und Nevada absolvierte. Dabei habe er viel gelernt, erklärte der Ford-Chef. Unter anderem wolle er ab sofort nie mehr von Reichweiten-Angst sprechen und stattdessen von Ladeangst. Diese habe er unterwegs mehrfach beobachtet. Mit dem Schritt von Elektroautos von Pionieren in die Masse, wie er jetzt auch in den USA anstehe, bekomme man Kunden mit sehr wenig Wissen und habe somit „ein riesiges menschliches Problem“ zu lösen.
Wie unterschiedlich weit Tesla auf der einen Seite und andere Elektroauto-Hersteller beim Ladekomfort sind, konnte Farley an einer Station in Kalifornien sehen, an der es sowohl Supercharger als auch andere Gleichstrom-Säulen gab, berichtet er in dem Interview: Die Tesla-Fahrer hätten in ihren Autos gesessen und Videos geschaut, während die anderen draußen miteinander sprachen, um sich Tipps zu holen oder zu geben – so wie es an den Supercharger-Stationen vor einigen Jahren gewesen sei.
Nicht nur Tesla soll profitieren
Er hasse es, das zu sagen, aber eindeutig habe Tesla mit der automatischen Authentifizierung beim Einstecken die bessere Lösung, erklärte Farley weiter. Als sich die Möglichkeit bot, Supercharger für die eigenen Kunden nutzbar zu machen, habe Ford deshalb gar nicht lange nachdenken müssen. Und die Vorteile dieser Kooperation liegen nach seiner Aussage gar nicht so sehr nur auf Tesla-Seite: Wer von der reinen Elektroauto-Marke auf Ford umsteige, könne das in der Gewissheit tun, trotzdem weiter das Supercharger-Netz nutzen zu können. Und wenn Tesla-Fahrer beim schnellen Laden öfter auf Ford-Elektroautos stoßen, werde das vielleicht ihre Neugier darauf wecken.