Wenn man so will, ist Jim Chanos so etwas wie der Warren Buffet der Leerverkäufer, geht aus seinem Wikipedia-Profil hervor: Er recherchiert intensiv nach nicht allgemein bekannten Informationen über Unternehmen, geht dann Positionen mit hohem Volumen ein und ist bereit, langfristig daran festzuhalten. Nur dass er eben anders als Buffet nicht in der Hoffnung auf Wachstum investiert, sondern in Erwartung fallender Börsenkurse, die ihm nach Auflösen seiner „Short“-Positionen Gewinne einbringen. Eine von Chanos‘ langjährigen Anti-Wetten ist Tesla, und dazu hat er sich jetzt im Finanz-TV geäußert.
Tesla 2016 als „wandelnde Insolvenz“
Er gebe zu, dass er mit Tesla bislang falsch gelegen habe, sagte der Sohn griechischer Einwanderer, der 1985 die eigene Analyse-Firma Kynikos Associates gründete, in einem Gespräch mit Bloomberg TV. Das ließe sich auch schwer bestreiten, denn schon 2016 warnte Chanos anlässlich der Übernahme von Solarcity, Tesla sei eine „wandelnde Insolvenz“. Er dürfte also schon damals Aktien des Unternehmens leerverkauft haben – und die kosteten damals kaum mehr als 200 Dollar gegenüber 573 Dollar am vergangenen Freitag (und zwischendurch Kursen, die an 1000 Dollar heranreichten).
Ende 2017 – die Tesla-Aktie kostete jetzt schon mehr als 300 Dollar – verkündete Chanos, Tesla steuere angesichts der Probleme beim Hochlauf der Produktion für das Model 3 auf eine Wand zu. Damit hatte er gar nicht so unrecht, wie CEO Elon Musk später indirekt bestätigte; jedoch riss der Tesla-Chef mit unermüdlichem Einsatz das Steuer noch herum und wendete die Insolvenz 2018 knapp ab.
Alte Tesla-Skepsis, neue Begründung
Dass es Tesla mittlerweile deutlich besser geht, ist Chanos gewiss nicht entgangen. Trotzdem hält er an einer Short-Positionierung in der Aktie fest, erklärte er Bloomberg. Allerdings hat sich die Begründung verändert: Der Leerverkauf-Profi sprach nicht mehr davon, dass Tesla der Untergang drohe, sondern stellte nur noch die Aktie als überbewertet dar. Damit ist er zumindest in der Gesellschaft der Mehrheit der professionellen Tesla-Beobachter: Diese erwarten laut TipRanks auf Sicht von 12 Monaten im Schnitt einen Tesla-Kurs von 498 Dollar (wobei mit 13 gegenüber 10 etwas mehr Analysten zum Halten als zum Verkaufen raten, 5 empfehlen einen Kauf).
Die neue Begründung für Chanos‘ alte Skepsis jedenfalls lautet, dass Tesla, anders als man sich unter begeisterten Anhängern erzähle, im Kern kein Technologieunternehmen sei, sondern nur ein Autohersteller – und deshalb solle auch die Aktie viel niedriger bewertet sein. Tesla müsse in der aktuellen Corona-Krise „entlassen wie ein Autohersteller, nicht wie ein Software-Unternehmen im Silicon Valley“, sagte Chanos.
Keine Betrugsvorwürfe gegen Tesla
Tesla-CEO Musk lehnt, wie er mehrfach erklärte, Leerverkäufe ab und würde sie am liebsten verboten sehen. Zumindest Chanos aber muss man zugute halten, dass er schon Anfang 2001 vor dem Energiehändler Enron warnte, der sich bald darauf als einer der größten Bilanzfälscher der US-Geschichte erwies. Vorwürfe in dieser Richtung erhob er gegenüber Tesla jetzt aber nicht, sondern wiederholte lediglich mehrmals, dass der Elektroauto- und Energie-Pionier aus vielen Gründen nichts anderes sei als ein Autounternehmen.