Die so genannten Cannonball-Rennen in den USA sind eine so interessante wie zweifelhafte Angelegenheit: Unbeeindruckt von Verkehrsregeln versuchen Auto-Narren seit der ersten Fahrt dieser Art vor mehr als 100 Jahren immer wieder, möglichst schnell von New York an der Ostküste des Landes bis nach Los Angeles auf der anderen Seite zu kommen. Nicht erst seit es Tesla gibt, kommen dabei auch Elektroautos zum Einsatz. Die bislang kürzeste Zeit für die gut 2800 Meilen (4500 Kilometer) legte dabei im vergangenen Jahr zusammen mit einem Freund der Journalist Kyle Connor in einem Tesla Model 3 hin. Und diesen Rekord hat er jetzt unterboten – für viele vielleicht überraschend mit einem wenig effizienten Porsche Taycan.
Elektroautos erfordern andere Taktik
Wer mit einem Verbrenner auf Cannonball-Rekordjagd geht, kümmert sich wenig um den Verbrauch, weil sich zusätzliche Benzin-Tanks installieren und zudem vergleichsweise schnell nachfüllen lassen. Stattdessen liegt der Fokus darauf, sich angesichts hoher Geschwindigkeiten und sonstiger Regelverstöße nicht von der Polizei aus dem Rennen holen zu lassen, wozu üblicherweise reichlich Warntechnik installiert wird. Der semi-offizielle Rekord bei der inoffiziellen Rally liegt laut einem Bericht von The Drive aktuell bei 27 Stunden und 25 Minuten von Küste zu Küste, gefahren mit einem Mercedes E63 AMG. Noch schnellere Trips aus der Zeit der Corona-Sperren werden von Puristen nicht anerkannt, weil sie wegen leerer Straßen als nicht vergleichbar gelten.
Mit dem Aufkommen von Elektroautos, so könnte man sagen, ist die gefährliche Cannonball-Tradition zumindest etwas weniger gefährlich geworden. Denn deren Verbrauch nimmt bei schneller Fahrt noch stärker zu als bei Verbrennern und größere Energiespeicher lassen sich kaum sinnvoll einbauen, was eine gewisse Zurückhaltung am Strompedal nahelegt. Bis vor kurzem lag der Elektroauto-Rekord deshalb bei 45 Stunden und 16 Minuten. Aufgestellt hat ihn im August 2019 der Journalist Kyle Connor, der dafür ein zudem tiefergelegtes Tesla Model 3 in der aktuell nicht verfügbaren Variante Long Range mit Heckantrieb einsetzte.
Im Vergleich zu dieser Fahrt, bei der er das gut ausgebaute und zuverlässige Supercharger-Netz von Tesla benutzen konnte, erforderte der an Silvester 2020 gestartete Versuch mit zwei Freunden im Porsche Taycan mehr Vorbereitung. Wie vorher beim Tesla wählte er die effizienteste Variante des Porsche-Elektroautos, in diesem Fall den Taycan 4S mit ebenfalls nur einer angetriebenen Achse (interessanterweise ein Presse-Fahrzeug, wie The Drive dazu berichtet). Trotz seines größeren Akkus kommt er auf nur 203 Meilen Reichweite nach der US-Norm EPA, das Tesla Model 3 LR auf 310 Meilen.
Zum Ausgleich hat das deutsche Elektroauto eine höhere Spitzen-Ladeleistung von bis zu 270 Kilowatt gegenüber 250 Kilowatt beim Tesla, die zudem länger gehalten wird. Dass die nötigen Ladestationen (Connor wählte das schnelle CCS-Netz der VW-Tochter Electrify America) gelegentlich nicht richtig funktionieren, berücksichtigte er, indem er dafür sorgte, dass sich trotz der Feiertagszeit Techniker von Porsche wie Electrify America am Telefon bereithielten, um im Zweifelsfall eingreifen zu können.
Porsche Taycan knapp eine Stunde schneller
Eigentlich kann der Porsche Taycan wie Tesla-Elektroautos bei der Anfahrt zur nächsten Ladestation seinen Akku vorwärmen, um mit einer für schnelles Laden günstigen Temperatur anzukommen. Bei dem Cannonball-Versuch funktionierte das aber nicht, weil die Porsche-Navigation das Auto unabhängig von der tatsächlichen Position stets im Bundesstaat Ohio verortete, wie Connor hinterher erzählte. Also behalf sich das Dreier-Team damit, die Batterie durch unvernünftiges Fahren, also hohes Tempo sowie kräftiges Beschleunigen und dann Rekuperieren, warm zu bekommen. Geladen wurde außerdem möglichst im schnellsten Fenster zwischen 3 Prozent und 60 Prozent Akku-Stand.
Angepeilt hatte das Trio laut The Drive eine Zeit von 42 Stunden von Küste zu Küste. Letztlich wurden 44 Stunden, 25 Minuten und 59 Sekunden daraus, also immer noch knapp eine Stunde weniger als 2019 mit dem Model 3. Der nächste Rekord-Versuch mit einem Tesla – oder auch dem noch schneller ladenden Elektrouto Lucid Air mit zudem mehr als 800 Kilometern Reichweite – dürfte allerdings nicht lange auf sich warten lassen.