Die neue Software-Welt scheint dem deutschen Volkswagen-Konzern größere Probleme zu bereiten als die Umstellung beim Antrieb. Schon der ID.3 als erster Vertreter von Elektroautos auf einer neuen Plattform für den ganzen Konzern kam im Spätsommer 2020 nicht ganz fertig programmiert auf den Markt, und noch heute lässt sich der angekündigte Rhythmus von Funk-Updates dafür alle drei Monate nicht halten. Inzwischen wird Software bei VW zentral in der neuen Tochter Cariad entwickelt – doch die kommt laut vielen Berichten ebenfalls schlecht voran, sodass der Markstart neuer Elektroautos der VW-Marken verschoben werden muss. Und in einem Interview ließ der Cariad-CEO jetzt erkennen, dass er für mehr Tempo auf die Unterstützung abgeworbener Tesla-Programmierer setzt.
Software für VW-Elektroautos verspätet
Zu Beginn dieses Jahres hat VW-Konzernchef Herbert Diess im Vorstand die Verantwortung für Cariad übernommen – und laut einem Bericht des Magazin Spiegel steht er durch Probleme dort wieder einmal unter Druck. Weil die Software-Tochter, in die Mitarbeiter verschiedener VW-Marken wechselten, nicht schnell genug vorankommt, soll zum Beispiel der Start des Audi-Elektroautos Artemis wohl nicht vor 2027 möglich sein. Als erstes solle jetzt das VW-Projekt Trinity 2026 die grundlegend neue Software für alle Konzern-Elektroautos bekommen, aber selbst daran werde gezweifelt.
In einem Interview mit der Wirtschaftswoche räumte Dirk Hilgenberg, der CEO von Cariad (s. Foto oben), vor diesem Hintergrund jetzt ein, dass die Zeitpläne tatsächlich wackeln. Im Herbst seien „Ressourcen massiv umpriorisiert“ worden, und das habe zu „planerischen Verzögerungen geführt“, sagte er. Die Erwartungshaltung gegenüber Cariad sei anfangs „super hoch“ gewesen, weshalb es zu Umplanungen kommen könne. Auf die konkrete Frage, ob sich dadurch der Porsche Macan als Elektroauto und neue E-Audis verzögern würden, antwortete Hilgenberg ausweichend.
Der Aussage, 90 Prozent der aktuellen Probleme seien kultureller Natur, schloss sich CEO mit dem Kommentar, das sei zumindest nicht realitätsfern, grob an. Bei Cariad seien in kürzester Zeit Mitarbeiter aus mehr als 100 verschiedenen Unternehmenskulturen zusammengekommen, neben denen aus dem VW-Konzern zum Beispiel auch von Tesla oder SAP, und das habe nicht sofort funktioniert, erklärte er. Mittlerweile seien aber die Hierarchien bei Cariad, angetrieben von Konzern-Chef Diess, flacher geworden als bei der Muttergesellschaft.
Frühere Tesla-Mitarbeiter sollen helfen
Nach früheren Angaben sollten bis Ende dieses Jahres 10.000 Personen bei Cariad arbeiten. Dazu sagte Hilgenberg aber jetzt, das sei kein Selbstzweck. Parallel versuche das Unternehmen, sich Star-Entwickler zu sichern, erklärte er, und erwähnte erneut Tesla: Von dort und von IBM seien bereits „Leute reingeholt“ worden. Diese sowie die neue Cariad-Technikchefin Lynn Longo hätten sämtlich das Potenzial, die gesuchten Super-Programmierer zu rekrutieren, sagte Hilgenberg. Auf diese Netzwerk-Unterstützung durch Experten, die von Tesla und anderen Unternehmen zu Cariad gekommen sind, will sich der CEO aber offenbar nicht verlassen: Es laste enormer Druck auf dem Unternehmen, bestätigte er, weshalb es jetzt ganze Teams von außen einkaufe, weil der organische Aufbau einfach zu lange dauere.