Als Tesla Ende 2022 Spezifikationen für seine Supercharger-Ladetechnik veröffentlichte und vorschlug, sie zum neuen North American Charging Standard (NACS) zu machen, sprach zunächst nicht viel dafür, dass das gelingen würde. Praktisch der gesamte Rest der Branche setzt in den USA auf die dortige CCS-Version, und selbst Tesla ließ sich darauf ein, für diesen Standard ausgerüstete Elektroautos zumindest per Adapter an vielen seiner Supercharger laden zu lassen. Vergangene Woche aber gab mit Ford ein großer traditioneller Hersteller mit ambitionierten Elektroauto-Plänen bekannt, auf den Supercharger-Standard umzusteigen. Und ein Hardware-Hersteller will seine Ladesäulen bald zumindest alternativ mit Kabeln mit Tesla-Steckern ausstatten.
Ford bricht CCS-Front gegen Tesla
Die Ford-Entscheidung für die Supercharger-Technik wurde nach Berichten aus Not und Einsicht geboren: Der CEO des Unternehmens war mit einem Mustang Mach-E aus dem eigenen Haus auf Familien-Reise und stellte fest, dass Lademöglichkeiten dafür anders als die von Tesla relativ rar gesät waren. Hinzu kommt, dass Säulen abseits des Supercharger-Netzes häufig nicht richtig funktionieren. Kurzfristig blieb Ford also wohl kaum eine andere Wahl, als sich mit Tesla zusammenzutun, wenn er Kunden die eigene Erfahrung ersparen will.
Ab nächstem Jahr sollen Elektroautos von Ford 12.000 Supercharger-Säulen in den USA mit Hilfe von Adaptern nutzen können. Das sind mehr als die mindestens 7500 Säulen, die Tesla im Rahmen einer Förderinitiative der Regierung für fremde Marken allgemein zugesagt hat (zusammen mit 3500 Destination Chargern für langsameres Laden). Ford wird also bevorzugt – hat sich auf der anderen Seite aber darauf festgelegt, die Standard-Bemühungen von Tesla zu unterstützen: Die nächste Generation von Ford-Elektroautos ab 2025 soll mit Supercharger-Ladebuchsen gebaut werden.
Damit ist die einheitliche CCS-Front der großen Konkurrenten Geschichte, und Tesla steht nicht mehr ganz alleine da. Laut Farley müssen die anderen Elektroauto-Anbieter in den USA überlegen, ob sie ihren Kunden schnelles Laden bieten oder bei ihrem Standard bleiben wollen. Ein Wagniskapital-Finanzier im Lastwagen-Bereich sprach laut einem Bericht von Bloomberg von einer überaus pragmatischen und revolutionären Entscheidung von Ford. Die Agentur sieht nach der Stärkung für Tesla bereits einen Standard-Krieg wie einst zwischen Betamax von Sony und VHS-Video von JVC beginnen.
Freewire-Säulen mit Supercharger-Kabel
Bei Elektroautos bietet sich allerdings leichter als bei Video-Playern die Möglichkeit, mehr als einen Standard zu nutzen, ob mit Adaptern oder doppelter Ausstattung. So soll Ford die Möglichkeit, zusätzlich zu Supercharger-Buchsen auch solche für CCS zu verbauen, und sich in dieser Frage noch nicht entschieden haben. Hersteller von Ladesäulen können zudem recht unaufwendig ein zweites Kabel installieren – wie es Tesla selbst beim Umstieg von seinen proprietären Superchargern auf CCS in Europa eine Zeitlang gemacht hat.
Genau diesen Weg will laut einem Bericht von Electrek ein nicht sehr großer, aber interessanter Anbieter gehen. Freewire aus Kalifornien verkauft Ladesäulen (s. Foto oben), die auch ohne entsprechende Netzanbindung Gleichstrom mit bis zu 200 Kilowatt Leistung liefern, ermöglicht über integrierte Akkus, die dann wieder schonend nachgeladen werden. Derzeit stattet Freewire Säulen mit CCS-Kabeln und mit solchen nach dem Standard Chademo aus, der eher auf dem Rückzug ist. Ab Mitte 2024 soll auch NACS dabei sein, sagte der CEO des Unternehmens dem Blog. Die Ford-Entscheidung scheint den Standard-Ambitionen von Tesla also neuen Schwung zu geben.