Bild: nextmove
Es war schön, so lange es dauerte, aber das war nicht sehr lang: Am Wochenende sprach sich die Nachricht herum, dass plötzlich Elektroautos aller Art an Superchargern von Tesla laden konnten – und das kostenlos und offenbar europaweit. Die Begeisterung war so groß wie die Verwunderung, und Kommentatoren auch bei teslamag.de spekulierten, Tesla könne überraschend Vereinbarungen mit anderen Elektroauto-Herstellern geschlossen haben oder wolle zumindest mit einer gezielten Supercharger-Freigabe demonstrieren, wie komfortabel das Laden sein kann. Doch am Sonntagnachmittag war es schon wieder vorbei damit.
Tesla-Chef war vor kurzem bei VW
Die Idee mit der Kooperation hat eine gewisse Plausibilität. So hat Tesla-CEO Elon Musk mehrmals erklärt, dass das Supercharger-Netz auch für andere Elektroautos geöffnet werden könnte – und erst Anfang des Monats hat er sich mit Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess getroffen. Zudem kam die wohl erste Meldung über einen erfolgreichen Lade-Vorgang mit einem Nicht-Tesla vom Supercharger in Braak bei Hamburg. Und dort sind die meisten Lade-Plätze als „nur für Tesla“ ausgewiesen, einige aber „frei für Elektrofahrzeuge“.
Auch unkonventionelles Marketing ist eine Erklärung, die man bei Tesla immer in Betracht ziehen sollte. So wurden an diesem Wochenende die ersten VW ID.3 ausgeliefert – vielleicht wollte Tesla diesen zum einen die Schau stehlen und zum anderen den neuen Fahrern die Vorteile des eigenen Lade-Netzes demonstrieren.
https://twitter.com/teslaP3D/status/1305094348338495488
Gegen beide Varianten spricht aber die Tatsache, dass nicht nur der VW e-Golf am Supercharger in Braak laden konnte, sondern auch andere Elektroautos aller Art (einschließlich des neuen ID.3). Eine Vereinbarung nur mit Volkswagen fällt somit schon einmal aus – und dass Tesla gleichzeitig zum Beispiel auch mit Hyundai und Opel handelseinig wurde, ist sehr unwahrscheinlich. Zudem zeigen die Bilder und Videos von den Fremd-Ladern bei Tesla am Wochenende erneut ein praktisches Problem dabei: Die Kabel der Supercharger sind auf die einheitliche Position der Lade-Buchse bei allen Teslas abgestimmt – wer den Anschluss woanders hat, muss krumm parken, um sie nutzen zu können.
Schon am Wochenende sickerte aus Branchen-Kreisen durch, dass das freie Laden am Tesla-Supercharger keineswegs Absicht war, sondern eine Panne. Ab Sonntagnachmittag wurde zudem gemeldet, dass es schon wieder beendet sei, was teslamag.de abends von einer informierten Person bestätigt wurde.
Tesla schließt Lücke mit Update
Was also war da wirklich los? Wichtig zu wissen ist, dass fremde Elektroautos nicht alle Tesla-Supercharger nutzen konnten, sondern nur die der neuen V3-Generation. Die wird in Europa erst seit diesem Frühjahr und in Deutschland erst seit August vermehrt installiert, und anders als der Vorgänger V2 funktioniert sie nach dem CCS-Standard, den auch die meisten anderen Elektroautos nutzen. Und offenbar hat Tesla hier schlicht einen Fehler bei der Authentifizierung gemacht. Wer auch immer sein CCS-fähiges Auto ansteckte, bekam Strom – und weil Tesla bei fremden Elektroautos die Kontodaten dazu nicht kennt, blieb er sogar kostenlos. Am Sonntag soll diese Lücke per Software-Update für die V3-Supercharger geschlossen worden sein.
Wahrscheinlich verursachte also wirklich nur eine Nachlässigkeit die Aufregung um Tesla am zurückliegenden Wochenende. Aber wenn das so ist, dann blieb die Möglichkeit seit der Installation des ersten V3-Superchargern in Europa in London Ende 2019 oder dem ersten in der EU in den Niederlanden in diesem Juli unentdeckt. Und dass sie ausgerechnet an dem Wochenende auffiel, an dem der deutsche Konkurrent Volkswagen seine ersten ID.3 auslieferte, kann dann zumindest als interessante Fügung des Schicksals gesehen werden.