Elektroautos sind im Kommen – seit diesem Jahr verstärkt auch in Deutschland, wo ihr Anteil an den Neuzulassungen in diesem September den neuen Rekord von 6,8 Prozent erreichte. Geladen werden sie nach Umfragen bislang überwiegend zuhause oder am Arbeitsplatz. Aber laut einer neuen Studie könnte der Grund dafür weniger in Bequemlichkeit als in nackter Verzweiflung liegen: Sie sieht seit 2017 so gut wie keine Fortschritte bei der öffentlichen Lade-Infrastruktur, sondern anhaltendes Tarif- und Modell-Wirrwarr, das Elektromobilität letztlich behindere. Tesla ist von dieser Betrachtung allerdings wie beim Thema Laden üblich weitestgehend auszunehmen.
„Elektroauto-Laden bleibt Zumutung“
„Der Vergleich der zahlreichen Ladesäulen-Tarife gleicht einer Doktorarbeit für Statistiker“, wird in einer Mitteilung ein Sprecher des Strom-Anbieters Lichtblick zitiert, der die Untersuchung von 16 deutschen Lade-Anbietern in Auftrag gegeben hat. Unterwegs laden bleibe auch in diesem Jahr für die Mehrzahl der Elektroauto-Fahrer „eine Zumutung“, gehe aus der aktuellen vierten Erhebung hervor. So erfahre man den Preis für den Strom oft erst nach dem Laden, er unterscheide sich je nach Stadt stark und sei fast immer höher als zuhause.
Bei immerhin zwei lokalen Anbietern (Stadtwerke Leipzig und Rhein Energie) ist das Elektroauto-Laden laut Lichtblick noch kostenlos, doch diese Zeiten gehen bis auf wenige Ausnahmen erkennbar zu Ende. Sie waren schön – weckten aber vielleicht falsche Erwartungen über die mit elektrischem Fahren möglichen Ersparnisse. Bei Tesla war das Supercharging anfangs grundsätzlich bei jedem Auto kostenlos mit dabei, was inzwischen nur noch für die Premium-Modelle S und X gilt. Aber auch andere Lade-Anbieter, ob in Städten oder für Langstrecken, starteten oft kostenlos oder mit sehr niedrigen Preisen und verlangen inzwischen viel mehr.
Und seit Laden nicht mehr kostenlos ist, muss abgerechnet werden – und das geschieht laut der Lichtblick-Studie auch 2020 noch mit einer wüsten Mischung aus Tarif-Modellen, Zugangsarten und Optionen. Roaming-Anbieter über mehrere Netze können das vereinfachen, nehmen dafür aber oft höhere Preise. Richtig teuer kann es mit oder ohne Roaming an schnellen CCS-Ladesäulen werden, die moderne Elektroautos mit großem Akku für Fernreisen nutzen können und brauchen.
Berüchtigter Ionity-Tarif
Fast schon berüchtigt ist hier der Spontan-Tarif von 0,79 Cent pro Kilowattstunde (derzeit dank Mehrwertsteuer-Senkung 77 Cent) bei Ionity. Auch bei Fastned kostet schnelles Laden mit 0,59 Euro ohne Monatspauschale etwa doppelt so viel wie zuhause. Selbst Tesla hat seine deutschen Supercharger-Preise in diesem Umfeld soeben erhöht, aber nur auf weiterhin moderate 35 Cent pro Kilowattstunde.
Tesla wird in der Lichtblick-Studie kein einziges Mal explizit erwähnt und schwebt mit seinen Superchargern doch irgendwie über dem gesamten Thema leichtes und bezahlbares Laden. Eine weitere Kritik an der allgemeinen Infrastruktur lautet, dass sie immer noch zu wenig ausgebaut ist – Tesla aber eröffnet derzeit Supercharger nach Supercharger. Die Abrechnung dort ist denkbar einfach – sie erfolgt mittels einer automatischen Erkennung des ladenden Autos per Kreditkarten-Abbuchung. Jeder neuere Tesla kann an jedem Supercharger laden und der Preis dafür ist in fast ganz Deutschland gleich. Und nach neueren Planungen soll es mehr davon in oder nahe an größeren Städten geben, beginnend noch in diesem Jahr.
Deutschland debattiert, Tesla baut
Laut Lichtblick kam immerhin zuletzt Bewegung in die Debatte um das allgemeine Elektroauto-Laden. Und auch in der Praxis gibt es Fortschritte. Automatische Abrechnung wie bei Tesla ist inzwischen zum Beispiel auch bei Fastned möglich. Die neue Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur bereitet ein Deutschland-Netz aus 1000 schnellen Lade-Standorten vor – mit Tesla als Vorbild, aber noch besser.
All das dürfte aber noch dauern. Und in der Zwischenzeit ist die Supercharger-Infrastruktur schon vorhanden, wird rasch weiter ausgebaut, bietet einfachste Nutzung und moderate Preise. Wenn das Lade-Thema heute noch ein Hindernis ist, dann also nur für Elektroautos allgemein, nicht für Tesla.