Bei Elektroautos spielt Aerodynamik eine besonders wichtige Rolle, denn sie wirkt sich direkt auf den Verbrauch aus, der wiederum über die Reichweite und damit letztlich auch darüber bestimmt, wie viel Zeit man auf Langstrecken an der Ladesäule verbringt. Insofern wird an dieser Front nicht nur bei Tesla kräftig optimiert, doch abhängig vom Kunden-Geschmack sind die Möglichkeiten begrenzt. Der Cybertruck etwa dürfte allein aufgrund seines Pickup-Formats aerodynamisch schlechter sein als kleinere Elektroautos. Eine deutsche Software-Firma hat in einer Simulation jetzt einen ersten konkreten Wert dazu ermittelt.
cw-Wert 0,39 für Tesla-Pickup simuliert
Normalerweise wäre das für eine reine Demonstration ohne konkreten Kundenauftrag wohl zu teuer. Doch einer der Vorteile des von Numeric Systems in München entwickelten Systems ist, dass seine Aerodynamik-Simulationen relativ wenig kosten. Die Grundlage dafür bildet seine eigene Studienarbeit aus dem Jahr 2007, wie der Gründer und Geschäftsführer Eugen Riegel teslamag.de erklärte. Die Numeric-Software arbeitet anders als andere Strömungssimulatoren mit einer Methode namens Lattice-Boltzmann (LBM). Die ist nach seinen Worten zwar wesentlich schwieriger einzusetzen, läuft dann aber effizienter auf Grafik-Karten statt CPUs.
Laut Riegel kostet ein Test in einem echten Wind-Kanal etwa das Zehnfache einer klassischen Simulation, und mit dem eigenen System sollen die Kosten noch einmal um den Faktor 10 sinken. Die Cybertruck-Simulation habe etwa 1000 Euro gekostet, schrieb einer der Numeric-Entwickler in einem Beitrag darüber auf LinkedIn. Die Angabe umfasse die Kosten für Hardware, Software und Strom, nicht aber die Arbeitszeit, präzisierte Riegel dazu. Kunden können die Pacefish genannte Software kaufen oder in einem Cloud-Dienst nutzen, oder Numeric die ganze Simulation erledigen lassen.
Zum Cybertruck hatte CEO Elon Musk kurz nach der Vorstellung Ende 2019 wissen lassen, der Tesla-Pickup werde möglicherweise einen Luftwiderstandsbeiwert von nur 0,30 haben. Im Vergleich zu allen bisherigen Teslas wäre das viel, aber für einen Pickup „unglaublich“ und erfordere extreme Anstrengung, schrieb Musk auf Twitter. Doch zumindest in seiner frühen Form war er noch ein gutes Stück davon entfernt, befand jetzt Numeric: Die Pacefish-Simulation, die auf einem 2020 extern erstellten 3D-Modell beruhte, ergab einen cw-Wert von 0,39.
Zum Vergleich nennt Numeric den cw-Wert von 0,208 beim neuen Model S, den Tesla selbst auf seiner Website angibt. Das elektrische BMW-SUV iX soll nach Schätzungen 0,25 haben, beim Verbrenner-Pickup Ram 1500 soll der Wert bei 0,36 liegen. Für den Cybertruck kamen die deutschen Simulierer auf 0,39, also einen cw-Wert deutlich über dem von Musk genannten Ziel. Der bei dem bereits verfügbaren Ford-Konkurrenten F-150 Lightning soll allerdings (ebenfalls nach Schätzungen) mit 0,56 noch deutlich höher sein.
Cybertruck-Spiegel würden im Wind stehen
Auf Bitten von teslamag.de sah sich Riegel auch Material von neueren Cybertruck-Prototypen näher an. In jüngerer Vergangenheit waren verschiedene Exemplare aufgetaucht, bei denen unter anderem die Front kürzer wirkte. Darin sah der Numeric-Gründer aber noch keine aerodynamischen Optimierungen. Eher sei bislang das Gegenteil der Fall: Die neueren Cybertrucks hatten anders als die ersten physische Außenspiegel, die laut Riegel natürlich noch „extra im Wind stehen“.
Bei der bisherigen Form fand sein Kollege Aleix Lázaro Prat in dem LinkedIn-Beitrag sowohl Vorteile als auch Nachteile. Positiv habe überrascht, dass der Knick im Dach nach etwa der Hälfte nicht zu einem Strömungsabriss führe. Auch der Diffusor hinten sei hilfreich, um weniger Wirbel am Heck entstehen zu lassen. Auf der anderen Seite stehen der recht vertikale untere Teil der Front und die vorderen Radhaus-Verkleidungen einem glatten Windfluss im Weg. Das kantige Design erhöhe allgemein den Widerstand. Mit mehr Kompromissen in dieser Hinsicht sieht Numeric also noch Verbesserungspotenzial.
Ob es für die Serienversion genutzt wurde, könnte sich bald zeigen. Denn vor kurzem bekräftigte CEO Musk, dass die Produktion des Pickups Mitte nächsten Jahres beginnen soll, und teslamag.de erfuhr, dass Tesla in Deutschland Maschinen für den Cybertruck bestellt hat, die im Juli 2023 in der Gigafactory in Texas in Betrieb gehen sollen.