Für Elon Musk ist die Sache ziemlich klar: Der Wert von Tesla hänge primär davon ab, ob man autonomes Fahren in den Griff bekomme, sagte der CEO vergangene Woche in Paris, nachdem er zuvor sogar schon einmal erklärt hatte, dass dies den Unterschied zwischen einem hohen Wert und praktisch nichts ausmache. Er sieht Tesla also weniger als Auto- denn als KI-Unternehmen – und davon, dass solche Technologien an der Börse derzeit sehr gefragt sind, hat auch die eigene Aktie zuletzt stark profitiert. Analysten geht das inzwischen allerdings zu weit.
Neues Twitter-Konto für KI bei Tesla
Von einem Zwischentief bei rund 150 Dollar nach den Q1-Geschäftszahlen von Ende April hat sich die Tesla-Aktie inzwischen kraftvoll erholt. Am Mittwoch ging es mit dem Kurs zwar erstmals wieder kräftig abwärts, aber am Donnerstag schon wieder nach oben. Das bedeutet immer noch ein Plus von weit über 100 Prozent seit Jahresanfang und von mehr als zwei Dritteln gegenüber dem April-Tief. Absolut gesehen beträgt der Wertzuwachs bei Tesla mehrere hundert Milliarden Dollar, also mehr, als ganze Auto-Unternehmen wie Toyota als das nach Stückzahlen größte kosten.
Zuletzt schien Tesla an der Börse davon zu profitieren, dass das Supercharger-System zunehmend Chancen hat, in Nordamerika zum Standard zu werden. Laut einem Bericht des Wall Street Journal (WSJ) wird die gute Stimmung nach Einschätzung von Beobachtern allerdings vor allem von KI-Hoffnungen getragen. „Wir denken, dass der Markt glauben will, dass Tesla hauptsächlich ein KI-Titel ist“, zitiert das WSJ den Analysten Adam Jonas von Morgan Stanley. Das ist ganz im Sinn von CEO Musk, der wiederholt erklärt hat, dass die eigentlichen Gewinn-Chancen für Tesla in der FSD-Software für autonomes Fahren und darauf aufbauenden Robotern liegen.
Tesla is building the foundation models for autonomous robots pic.twitter.com/VUES9jU3ze
— Tesla AI (@Tesla_AI) June 21, 2023
Vielleicht um das zu betonen, wurde am Mittwochabend ein neuer Twitter-Account von Tesla aktiv, den es seit diesem Mai gibt: In seinem ersten Thread erklärte @Tesla_AI, dass das Unternehmen die grundlegenden Modelle für autonome Roboter entwickle (s. Foto oben), und berichtete dann über Fortschritte und Pläne bei der Steuerung von Autos und anderer Technik. CEO Musk unterstützte das, indem er erklärte, Tesla sei bei KI-Software wie -Hardware viel weiter fortgeschritten, als selbst die meisten Experten erkennen würden.
Damit dürfte er darauf anspielen, dass zwar eine Mehrheit der Tesla-Analysten die Aktie zum Kauf empfiehlt, das aber viel stärker als Musk mit erwarteten Wachstum im reinen Elektroauto-Geschäft begründet und weniger mit dem Potenzial von FSD, dessen Realisierung gemessen an früheren Musk-Aussagen seit vielen Jahren überfällig ist. Dazu gehört Dan Levy von der Bank Barclay’s, der Tesla am Mittwoch sogar von Übergewichten auf Halten zurückstufte (das Kursziel allerdings auf 260 Dollar erhöhte).
Analyst sieht sinkende Elektroauto-Preise
Vor dem Hintergrund von kurzfristigen Herausforderungen sei der Anstieg von Tesla seit April „zu scharf“ gewesen, schrieb er laut einem Bericht von Marketwatch. Die gute KI-Stimmung und die Supercharger-Standardisierung seien positiv, aber bis sich aus beidem konkrete Vorteile ergäben, werde es noch dauern. Bei autonomem Fahren habe Tesla mit dem Verzicht auf Lidar und detaillierte Karten einen nicht dem Konsens entsprechenden Ansatz gewählt, zitiert Marketwatch Levy weiter; ob er funktioniere, müsse sich noch zeigen. Die durchschnittlichen Erwartungen für den Tesla-Gewinn im nächsten Jahr schätzte er als zu hoch ein, weil mit weiteren Preissenkungen zu rechnen sei.