Insbesondere in den USA ist die Dominanz von Tesla auf dem Markt für Elektroautos ungebrochen. Nach neuen Daten gingen dort im vergangenen Jahr rund 79 Prozent der Elektroauto-Neuzulassungen auf das Konto von Tesla, das gleichzeitig Audi vom vierten Platz unter allen Premium-Marken verdrängte. Angesichts von vielen Milliarden Dollar Investitionen in eigene E-Fahrzeuge bei den etablierten Herstellern ist das erstaunlich, schreibt in einem aktuellen Fachbeitrag ein Autoren-Trio aus zwei US-Professoren und einem Manager. Und für den anhaltenden Erfolg von Tesla sehen sie eine relativ einfache Erklärung: das proprietäre Supercharger-Netz.
Elektroautos als Plattform-Güter
Tesla sei fast zum Synonym für Elektroautos geworden, und kein etablierter Hersteller scheine eine große Herausforderung für den Marktführer zu sein, schreiben Hemant Bhargava von der University of California, Jonas Boehm von dem australischen Energie-Unternehmen AGL Energy und Geofrey Parker vom MIT in ihrem Artikel für das Management-Magazin Harvard Business Review.
Ein Auto habe nur dann einen Wert, wenn es gefahren werde, halten die Autoren einen offensichtlichen Punkt fest, und das erfordere zwischendurch die Aufnahme neuer Energie. Hersteller von Verbrenner-Autos müssten sich darüber keine Gedanken machen, denn Tankstellen gebe es in den USA mehr als genug. Aus diesem Grund würden die meisten Elektroauto-Strategien auf denselben Marketing-Faktoren wie früher basieren: Produkt, Preis, Platzierung und Promotion. Gute Autos würden sich, angeboten auf den richtigen Märkten zu guten Preisen und unterstützt durch Werbung, schon verkaufen.
Bei Elektroautos aber sehe es anders aus – die Autoren bezeichnen sie als „zweiseitige Plattform-Güter“. Der Verkauf von Strom-Fahrzeugen erfordere ein großes Netz von geografisch verteilten Schnell-Ladestationen mit vielen Plätzen, doch die Investitionen dafür würden sich erst dann direkt lohnen, wenn es genügend Nutzer dafür gibt. „Tesla hat ein solches Netzwerk, und die von allen anderen sind lächerlich“, schreiben Bhargava, Boehm und Parker. So habe sich Nissan mit dem bezahlbaren Leaf eine frühere Elektroauto-Führung gesichert, doch seine Fahrer seien auf wenige Ladestationen von Drittanbietern angewiesen gewesen.
Nur Tesla koordiniert beide Seiten
Der Ansatz von Tesla war laut dem Beitrag auffallend anders. Zur Unterstützung erst des Roadster und dann des Model S baute Tesla das proprietäre Supercharger-Netz von Küste zu Küste auf und löste damit das Problem der Reichweiten-Angst, das viele Elektroauto-Interessenten sonst plagt. Die meisten anderen Hersteller dagegen gingen vor wie Nissan und konzentrierten sich allein auf die Entwicklung ihrer Elektroautos, schreiben die Autoren. Nur Tesla könne deshalb beide Seiten des Marktes koordinieren, beim Laden Preise (mit möglichen Subventionen zur Unterstützung des Auto-Verkaufs), Anzahl der Stationen, Timing des Ausbaus und Standorte.
Als bislang einzigen Konkurrenten, der einen ähnlichen Weg geht wie Tesla, nennen die drei Technologie-Forscher das Startup Rivian. Noch habe es kein einziges Auto verkauft, baue aber schon an einem eigenen Lade-Netzwerk, in diesem Fall passend zur Ausrichtung seiner „Abenteuer-Elektroautos“ teils an Autobahnen und teils an beliebten Camping-Standorten. Zumindest parallel zu ihren Entwicklung eigener Elektroautos sollten die anderen Hersteller sich an Tesla orientieren, raten die Autoren, auch wenn das riskant und nicht trivial sei. Denn eine Fokussierung nur auf die Fahrzeuge werde nach den bisherigen Erfahrungen nicht ausreichen, um eine dominante Position zu erreichen.