Im Branchen-Streit um den richtigen Weg zu autonomem Fahren verhärten sich die Fronten – oder zeigen jedenfalls keine Anzeichen, weicher zu werden: Tesla-Chef Elon Musk besteht darauf, dass die aktuelle Hardware in seinen Elektroautos plus weiterentwickelte Software aller Voraussicht nach problemlos dafür ausreichen und schon in diesem Jahr sicherer fahren wird als ein Mensch. Der CEO des Konkurrenten Waymo dagegen sagte jetzt, aus Teslas aktuellem Fahrassistenz-System Autopilot könne nie ein wirklich autonomes werden – woraufhin Musk erklärte, zu seiner Überraschung sei bei Tesla sowohl die Hardware als auch die Software schon besser als bei Waymo.
Gleiches Ziel, verschiedene Ansätze
Tesla und Waymo haben im Grunde das gleiche Ziel, nämlich Roboter-Taxis, die ohne Mensch am Steuer Personen befördern können, verfolgen es aber mit grundverschiedenen Ansätzen. Die von dem früheren Hyundai- und Ford-Manager John Krafcik geführte Google-Ausgründung setzt auf Fahrzeuge, die ausschließlich maschinell gesteuert werden, also nicht einmal für Notfälle Pedale oder Lenkrad haben sollen (noch werden allerdings aufgerüstete Chrysler-Vans verwendet). Tesla dagegen will seinem Autopilot-System Schritt für Schritt alle Fahraufgaben beibringen, aber zumindest seine heutigen Elektroautos sind auch normal von Menschen fahrbar.
Zudem nutzt Waymo teure Lidar-Hardware und hochaufgelöste Karten, während Tesla hauptsächlich auf Kameras und die dynamische Auswertung von deren Bildern mit hochintelligenter Software setzt. Tesla würde Lidar nicht einmal verwenden, wenn es kostenlos wäre, sagte Musk vor kurzem zu diesem Thema.
Musk: Hardware und Software bei Tesla besser
„Tesla ist für uns überhaupt kein Konkurrent“, sagte wiederum Krafcik in einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Interview mit dem deutschen Manager-Magazin. Anders als Musk kann er schon einen Robotaxi-Dienst im Praxis-Einsatz vorweisen, wenn auch nur in einer einzigen Stadt in den USA, gestartet im Oktober 2020. Ein weiterer Dienst mit dem Elektroauto Jaguar i-Pace statt der Chrysler-Verbrenner in Phoenix soll bald folgen. Waymo-Sensoren seien bezüglich Genauigkeit und Robustheit „um Größenordnungen besser als das, was wir bei anderen Herstellern auf der Straße sehen“, antwortete Krafcik auf eine weitere Frage zu den Chancen von Tesla.
Das konnte oder wollte Musk natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Er sei selbst davon überrascht, aber sowohl die KI-Hardware als auch die Software bei Tesla sei besser als die von Waymo, kommentierte er am Montag auf Twitter einen Artikel über die Verbal-Attacke von Krafcik. Als vermutliche Erklärung für seine Überraschtheit schrieb der Tesla-Chef noch in Klammern „Geld“ dazu.
To my surprise, Tesla has better AI hardware & software than Waymo (money)
— Elon Musk (@elonmusk) January 25, 2021
Schon zum Start des ersten Waymo-Dienstes in Phoenix hatte Musk erklärt, die Lösung sei beeindruckend, aber hochgradig spezialisiert. Tesla dagegen arbeite an einer allgemeinen Lösung. Derzeit laufen in den USA erste Beta-Tests mit der neuesten Tesla-Software für autonomes Fahren, genannt FSD für Full-Self Driving. Nach Berichten der wenigen Tester funktioniert sie beeindruckend gut und wird von Version zu Version besser. Wer wirklich das Rennen beim autonomen Fahren machen wird, ist trotzdem weiterhin offen, und möglicherweise führen beide Wege zum gemeinsamen Ziel – aber zumindest die Fronten sind jetzt klarer denn je.