Der deutsche Konzern Daimler liefert ein weiteres Beispiel dafür, wie schwierig für traditionelle Hersteller der Spagat zwischen ihrer Verbrenner-Vergangenheit und der von Tesla eingeläuteten Elektroauto-Zukunft ist: „Electric first“, heiße nunmehr die Devise, verkündete die Marke Mercedes in diesem Mai, und Daimler-Konzernchef Ola Källenius sagte, ab 2021 werde in Sindelfingen das Luxus-Elektroauto EQS als elektrischer Teil der S-Familie gebaut – es folge auf die neue konventionelle S-Klasse und stehe schon „in den Startlöchern“. Doch wie Mercedes jetzt dezent verriet, wird der EQS aus dieser Position wohl nicht vor Sommer 2022 herauskommen.
Aktualisierung: Ein Daimler-Sprecher hat im Forum von teslamag.de auf diesen Bericht reagiert. Auf Nachfrage bekräftigte er, dass die ersten Mercedes EQS je nach Bestellzeitpunkt „auch in 2021 ausgeliefert“ würden. Im selben Jahr werde das luxuriöse Elektroauto vorgestellt und zur Bestellung zum Beispiel in Deutschland freigegeben. Nach der Aussage des Sprechers wurde das Video in der Zeit vor der Corona-Pandemie gedreht, sodass die Aussagen darin zum Teil nicht mehr richtig seien.
Tesla-Seitenhieb vom EQS-Ingenieur
Zu entnehmen ist diese Information einem Mercedes-Werbevideo auf YouTube, in dem der dänische TV-Moderator Felix Smith mit dem Konzeptfahrzeug Vision EQS und in einem Erlkönig für die Serie fahren durfte. Zunächst befragt er mit leicht skandinavischem Einschlag auf Englisch den Daimler-Chefdesigner, und der erzählt mit deutschem Akzent über die neuen Innenraum-Freiheiten bei Elektroautos. Dann trifft Smith noch den Chefingenieur Christoph Starzynski, der mit einem getarnten Serien-Modell des EQS auf den Dänen mit der Studie wartet.
Zusammen sehen sich die beiden den Erlkönig an, Starzynski berichtet von intensiven Test-Fahrten und nutzt die Gelegenheit für etwas, das man als Seitenhieb auf Tesla (dessen Model S Mercedes bei der Reichweite übertreffen will) verstehen könnte: Mercedes erwarte von Kunden nicht, dass sie die Qualität der eigenen Autos testen, sondern erledige das vorher selbst. Womöglich deshalb aber lautet seine Antwort auf die Frage, wie lange die Produktion des EQS noch auf sich warten lassen werde, „wir sprechen wohl von noch zwei Jahren“.
Weil das Video aufwendig produziert ist und Texte wie Begegnungen einem Drehbuch zu folgen scheinen, lässt sich wohl ausschließen, dass sich der Chef-Ingenieur für das deutsche Luxus-Elektroauto vertan oder verplappert hat. Damit kann als offiziell gelten, dass der Mercedes EQS mindestens acht Monate später in die Produktion geht als von Källenius im Mai angekündigt – und dass der Daimler-Chef eine recht weite Definition von „in den Startlöchern“ hat. Der Moderator im Video geht auf die neue Angabe nicht ein, sondern nimmt begeistert das darauf folgende Angebot an, als erster Mensch außerhalb von Mercedes in dem EQS-Erlkönig mitzufahren.
Warten auf Elektroauto-Zukunft
„Das ist die Zukunft“, sagt Smith ergriffen nach der Probefahrt, nur wird sie bei Mercedes offenbar doch noch ein wenig länger auf sich warten lassen. Mit einer WLTP-Reichweite von mehr als 700 Kilometern soll der luxuriöse EQS sogar das Tesla Model S mit aktuell 610 Kilometern übertreffen. Das hat Konzern-Chef Källenius jedenfalls bei der Daimler-Hauptversammlung im Juli gesagt – aber bis 2022 ist notfalls ja noch genügend Zeit, um solche Aussagen von Ingenieuren unauffällig korrigieren zu lassen.