Tesla hat seine Supercharger, Fahrer der zunehmenden Zahl an Elektroautos anderer Marken müssen mit Ladesäulen auskommen, die herstellerunabhängige Anbieter in ihrem eigenen Tempo ausbauen. Die deutschen Autokonzerne plus Ford haben 2017 immerhin das Joint-Venture Ionity für ein schnelles europäisches Lade-Netz gegründet, doch das ist seit einer drastischen Preiserhöhung nicht nur bei Elektroauto-Fahrern unbeliebt, sondern wird laut einem Bericht jetzt auch beim Chef des Miteigentümers Volkswagen kritisch gesehen.
Vorstand befürchtet Elektroauto-Staus
Der Ausbau gehe so langsam voran, dass Volkswagen „notfalls selbst“ in ein eigenes Netz investieren würde, sagte Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess laut einem Bericht von Manager-Magazin im Dezember 2020 in einer Video-Konferenz mit anderen Führungskräften. Ionity liege nach den Worten von Diess ein Jahr hinter dem Zeitplan. Die Chefs der VW-Töchter Porsche und Audi würden deshalb schon an einem markeneigenen Lade-Angebot arbeiten und hätten das Projekt untereinander aufgeteilt, berichtet die Zeitschrift weiter. Endgültig darüber entschieden sei aber noch nicht.
Über ein mögliches Lade-Angebot aus dem Volkswagen-Konzern nach Tesla-Vorbild war bereits im vergangenen Jahr berichtet worden. Die Pläne stehen im Zusammenhang mit dem inzwischen in eine Tochtergesellschaft ausgegründeten Projekt Artemis, das aus der Erkenntnis hervorging, dass die aktuellen VW-Elektroautos an Tesla noch nicht heranreichen – bis 2024 soll sich mit einem agil entwickelten neuen Modell ändern.
Aber schon jetzt nimmt die Zahl der Elektroautos nicht mehr nur von Tesla auf Straßen in Deutschland und Europa rapide zu, und laut Manager-Magazin warnte ein Vorstandsmitglied bei einem Autohersteller, dadurch werde es bald zu „Staus an den Säulen“ kommen. Ionity bremse sich selbst, weil die inzwischen fünf Gesellschafter (Hyundai ist später dazugestoßen) alle wichtigen Entscheidungen einstimmig treffen würden. BMW habe zudem eine zu wenig ambitionierte Planung bei der Lade-Beteiligung kritisiert.
Neue 500 Millionen Euro für Ionity?
Nicht einmal, wenn Ionity den aktuellen Rückstand auf die Planung von europaweit 430 CCS-Stationen bis Ende des Jahres noch aufhole, werde das ausreichen, um den steigenden Bedarf zu decken, berichtet das Manager-Magazin weiter aus der VW-Konferenz. Schon länger würden die Eigentümer deshalb darüber diskutieren, zusätzliches Geld in Form von Private Equity für einen schnelleren Ausbau aufzunehmen – selbst mehr investieren wollen offenbar nicht alle. Laut dem Bericht soll es um bis zu 500 Millionen Euro gehen und Interesse von großen Finanzfirmen vorhanden sein. In den nächsten Wochen werde wohl über die Bewertung diskutiert.
Nach Tesla-Tempo hört sich all das nicht an, aber immerhin scheint das Problem bei Volkswagen erkannt und von Diess angegangen. Der neue VW-Technikvorstand Thomas Schmall soll das Thema jetzt beschleunigt angehen, so die Zeitschrift. Unterstützt werde er von Elke Temme, die soeben vom Energiekonzern innogy als Chefin für Laden und Energie zu Volkswagen gewechselt ist.