Die Aussagen von Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess über den Elektroauto-Pionier Tesla haben sich über das vergangene Jahr bemerkenswert verändert. „Wir werden gewinnen“, sagte er zur Vorstellung des VW ID.3 im Mai 2019. In diesem Januar sprach Diess dann davon, Volkswagen könne mit Tesla mithalten und „irgendwann wahrscheinlich auch überholen“. Und in diesem März erklärte er, Tesla sei zwar vorn, aber Volkswagen versuche, so gut wie möglich dranzubleiben. Nach einer internen Bestandsaufnahme, die nicht gut ausgefallen sein soll, schickte der Konzern dann ein spezielles Audi-Team an den Start, das agil wie Tesla ein überzeugenderes Elektroauto entwickeln soll. Und dieses Team will jetzt offenbar einen entscheidenden Aspekt des Tesla-Modells übernehmen.
Geschlossenes Netz wie bei Tesla
Das berichtet aktuell das Nachrichten-Magazin Der Spiegel: Audi bereite eine „Großoffensive“ für ein eigenes schnelles Ladenetz wie bei Tesla vor, sei aus informierten Kreisen zu hören gewesen. Zunächst sollen nur Audi-Kunden dort laden können, später auch Fahrer von Porsche-Elektroautos. Ob irgendwann auch weitere Konzern-Marken oder sogar fremde die Ladestationen nutzen dürfen, sei bislang offen.
Das Konzept kommt laut dem Bericht aus dem Artemis-Team bei Audi um den früheren Renn-Ingenieur Alex Hitzinger mit dem Auftrag, bis 2024 ein neues „Leuchtturm-Elektroauto“ zu entwickeln, das es endlich in jeder Hinsicht mit Tesla aufnehmen oder sogar besser sein soll. Und offensichtlich ist Hitzinger aufgefallen, dass einen guten Teil der Tesla-Erfahrung das gut ausgebaute Supercharger-Netz für schnelles Laden ausmacht. Als bislang einziger Elektroauto-Hersteller kümmert sich Tesla selbst um diesen Aspekt. Alle anderen verlassen sich darauf, dass Drittanbieter schon schnell genug ausreichend Lade-Möglichkeiten schaffen werden. In einer Art Mittelweg ist Volkswagen zudem an dem Joint-Venture Ionity mit den anderen beiden Auto-Konzernen aus Deutschland beteiligt, das ein superschnelles Autobahn-Ladenetz aufbaut.
Elektroautos laden wie Kraut und Rüben
Welche Nachteile das gegenüber dem Tesla-Modell mit selbst produzierten und betriebenen Superchargern hat, wird zunehmend offensichtlich. So landete der Fahrer eines Porsche Taycan bei seiner ersten großen Europa-Tour mehrmals an nicht funktionierenden Ladesäulen, zu denen ihn sein Elektroauto gelotst hatte, und musste deshalb einmal sogar abgeschleppt werden. Noch brauchen Fahrer der aktuellen und noch kommenden Elektroautos von Volkswagen und anderen Anbietern anders als bei Tesla zudem Chips oder Karten, um die Ladesäule freizuschalten. Und all das sieht obendrein nicht sehr elegant aus, weil selbst Elektroautos unterschiedlicher VW-Marken die Lade-Buchse an unterschiedlichen Stellen haben – statt sauber nebeneinander in derselben Ausrichtung wie am Tesla-Supercharger stehen andere Ladende deshalb wie Kraut und Rüben vor den Stationen.
Diese Probleme wurden bei Volkswagen und Audi jetzt offenbar verstanden – aber ausgesprochen spät, wenn man bedenkt, dass Tesla-CEO Elon Musk fast von Anfang an auf die eigenen Supercharger setzte und ihre Bedeutung betonte. Das Artemis-Netz von Audi soll ganz Europa umfassen, heißt es jetzt in dem Spiegel-Bericht. Noch sei allerdings nicht einmal klar, ob die Ladesäulen vor allem an Schnellstraßen oder auch in Städten installiert werden sollen. Tipp: Tesla macht zunehmend beides.