Bei Elektroautos sind die Zeiten, in denen Tesla und seinem CEO Elon Musk von Vertretern der alten Branche vorgeworfen wurde, kaum mehr als heiße Luft zu produzieren, inzwischen vorbei. Besonders hervorgetan hatte sich damit der frühere Volkswagen-Konzernchef Matthias Müller, der den Elektroauto-Pionier als „Ankündigungsweltmeister“ bezeichnete – doch sein Nachfolger Herbert Diess zollt Tesla und Musk bei jeder Gelegenheit Respekt. Auch mit SpaceX hat Musk unmöglich Scheinendes möglich gemacht und beherrscht das Landen der Start-Stufen seiner Raketen mittlerweile fast perfekt. Mit der Tunnel-Firma Boring leitet der Multi-CEO außerdem ein weiteres Unternehmen, das einer etablierten Branche Beine machen soll. Doch der Chef des deutschen Weltmarktführers in diesem Bereich äußerte sich dazu jetzt fast so abfällig wie früher Müller über Tesla.
Musk wollte Herrenknecht-Maschine kaufen
Martin Herrenknecht ist 78 Jahre alt und gründete im Jahr 1977 den nach ihm benannten Hersteller von Tunnel-Bohrmaschinen, der seitdem weltweit expandiert ist und sich mit einem Umsatz von gut 1,2 Milliarden Euro in 2019 als Marktführer bezeichnet. Auch mit dem Tesla- und Boring-Chef hatte das Unternehmen schon Kontakt, wie der Gründer jetzt in einem Interview mit dem Manager-Magazin berichtete. Das sei „ziemlich chaotisch“ verlaufen, erzählte Herrenknecht. Und auch sonst hatte er über Musk und dessen Tunnel-Pläne nicht viel Positives zu sagen.
Musk habe zum Start von Boring eine Tunnel-Bohrmaschine bei Herrenknecht kaufen wollen, erzählte der Gründer in dem Interview. Also habe er zwei Mitarbeiter in die USA geschickt, um darüber zu verhandeln. Doch dabei habe sich ein „seltsames Geschäftsgebaren“ gezeigt: Musk habe immer wieder für längere Zeit den Raum verlassen und neue Ideen präsentiert. Außerdem habe er den Preis für die Maschine von zehn Millionen Dollar auf zwei Millionen Dollar drücken wollen.
„So etwas geht gar nicht“, urteilt Herrenknecht. Dass aus dem Geschäft nichts wurde, muss wohl nicht eigens erwähnt werden, aber Musk wurde bei einem ungenannten anderen Hersteller fündig. Die erste Maschine, die laut Boring noch unmodifiziert eingesetzt wurde, nannte er Godot, gefolgt von Godot+ und dann Prufrock. Das Zwischenziel damit soll sein, Tunnels schneller als mit einer Meile pro Woche zu bohren, während Standard-Maschinen 8-12 Wochen dafür bräuchten. Ein erstes Boring-Projekt in Las Vegas ist bereits fertiggestellt und wartet auf die Aufnahme eines Passagier-Transportdienstes mit Elektroautos von Tesla, sein Ausbau und weitere werden vorbereitet.
„Boring in 10 Jahren nicht wie Tesla“
Herrenknecht aber sieht in Musk trotz oder wegen all dem „vor allem einen geschickten Schaumschläger“, wie er jetzt sagte. Immerhin schränkte er dieses Urteil auf die eigene Branche ein und sagte mit Blick auf Tesla, „die deutsche Autoindustrie hat bei der Elektromobilität natürlich gepennt“. Bei den bislang zwei Röhren in Las Vegas aber sei Boring mit nur 20 Metern pro Woche vorangekommen, während die Maschinen seines Unternehmens das an einem Tag schaffen würden. Zudem sei der Tunnel nicht wie geplant waagerecht geblieben, sondern weiche in der Höhe um einen halben Meter ab.
Zum Interesse weiterer US-Städte an Boring-Projekten sagte Herrenknecht, er wisse nur, „was die Profis von Musk halten“: Der Tesla-Chef werde es auch in den USA schwer haben, als wirklich seriöser Partner akzeptiert zu werden. „Er kann nicht wie bei der Tesla-Fabrik in Grünheide einfach losbauen, bevor alle Genehmigungen vorliegen“, erklärte der deutsche Unternehmer in einem Seitenhieb. Boring werde in zehn Jahren jedenfalls nicht dort stehen, wo Tesla bei Elektroautos und SpaceX in der Raumfahrt heute stünden – er halte Schwierigkeitsgrad und Komplexität im Tunnelbau für höher.