Im Oktober 2006 war Tesla erst gut drei Jahre alt, Elon Musk noch nicht der CEO, und das Unternehmen hatte noch kein einziges Exemplar seines ersten Elektroautos Roadster in Serie produziert. Trotzdem begann die Technologie-Szene in den USA, von dem Silicon-Valley-Startup Kenntnis zu nehmen, während Deutschland noch auf Wasserstoff-Kurs war und Tesla, wenn überhaupt, allenfalls belächelte. Die deutsche Ausgabe der MIT-Zeitschrift Technology Review aber, damals unter der redaktionellen Leitung der heutigen Geschäftsführung von teslamag.de, nahm Tesla sehr ernst: Sie veröffentlichte eine Titelgeschichte unter dem Motto „Die Rückkehr der Elektroautos“ und riet der deutschen Industrie, sie nicht zu viel Vorsprung herausfahren zu lassen. Außerdem sammelte die Redaktion Einschätzungen dazu – die überwiegend, aber nicht komplett ablehnend ausfielen.
Opel nah an Tesla-Zukunft, Audi ablehnend
Als am nächsten an der Zukunft, wie sie sich 15 Jahre später eingestellt hat, zeigt sich im Rückblick Opel, damals eine Tochter von General Motors und heute Teil des Viel-Marken-Konzerns Stellantis. „Die Nachteile von reinen Elektroautos sind kurze Reichweite und kurze Batterie-Lebensdauer“, schrieb Opels Technologie-Sprecher an Technology Review. Wenn diese Probleme gelöst seien, könne sich die Lage aber „schnell ändern“. Für ganz GM erklärte der Sprecher allerdings trotzdem, der Konzern sehe mehr Potenzial in Hybridautos und Brennstoffzellen.
Die wichtigsten Marken des Volkswagen-Konzern, der unter Vorstandchef Herbert Diess inzwischen auf einem erklärten Tesla-Kurs ist, wurden 2006 von der Zeitschrift einzeln befragt und vertraten durchaus unterschiedliche Einschätzungen. Der Leiter der Aggregate-Entwicklung bei Audi legte sich fest: Ein reiner Elektroantrieb sei nur sinnvoll, „wenn die Energie ohne Verluste durch Umwandlung und Speicherung direkt auf den Motor geschickt werden kann“, erklärte er, und das werde mit der Brennstoffzelle der Fall sein.
Die hohen Energie-Verluste bei Wasserstoff-Erzeugung, -Transport und -Speicherung schienen bei Audi also nicht bekannt zu sein – vielleicht liegt darin der Grund, dass das Unternehmen seinen behaupteten Vorsprung durch Technik in der öffentlichen Wahrnehmung an Tesla verloren hat. Porsche wollte 2006 von reinen Elektroautos ebenfalls wenig wissen: Die würden die Alltagstauglichkeit zu sehr einschränken, schrieb ein Technologie-Sprecher an Technology Review. Porsche favorisiere deshalb „den Full-Hybrid“. Auf Konzernebene war man allerdings aufgeschlossener. Am Hybridantrieb werde ebenso gearbeitet wie an Brennstoffzellen und reinem Elektroantrieb, erklärte der damalige Leiter der Volkswagen-Antriebsforschung.
Reine Elektroautos für BMW „nicht adäquat“
Bei Ford dagegen, wie Opel nur als Tochter ein deutsches Unternehmen, wurde 2006 mit Bio-Ethanol oder Erdgas als alternativen Antrieben gearbeitet, und diese seien „Brückentechnologien auf dem Weg in die Wasserstoffzukunft“, erklärte der Vice President für Europa. Mercedes-Benz schloss reine Elektroautos zumindest nicht aus, teilte aber mit, es brauche dafür noch weitere umfangreiche Forschung und Entwicklung. 2014 startete das Unternehmen tatsächlich eine elektrische B-Klasse mit Tesla-Komponenten, legte dann aber bis zu einer Elektroauto-Offensive ab vergangenem Jahr wenig nach.
BMW schließlich zeigte sich kurz vor dem Start des Tesla Roadster am wenigsten offen für Elektroautos. Rein elektrisches Fahren sei „nach Überzeugung der BMW Group weder BMW-adäquat noch ausreichend“ für die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ihrer Fahrzeuge, schrieb der Leiter der Hybrid-Entwicklung an Technology Review. Zwar brachte das Unternehmen mit dem i3 schon früh ein konsequentes Elektroauto auf den Markt, setzte aber ansonsten noch jahrelang auf effiziente und hybride Verbrenner sowie Wasserstoff-Autos. Passend zu der entschiedenen Absage vor 15 Jahren bringt das Unternehmen erst jetzt und damit als letzter der Großen Drei aus Deutschland neu entwickelte Elektroautos auf den Markt.