Statt sich wie in Europa auf den Standard CCS für das Laden von Elektroautos einzulassen, will Tesla in Nordamerika die eigene Supercharger-Technik zum neuen Standard machen. Das kündigte das Unternehmen Mitte November an und begründete den Schritt mit einer Reihe von Vorteilen sowie der bereits weiten Verbreitung des eigenen Systems. Der Verein CharIN, der zur Förderung des CCS-Standards gegründet wurde und in dem Tesla selbst Mitglied ist, hat diese Initiative jetzt allerdings deutlich kritisiert.
CCS laut Verein häufiger als Supercharger
Zu loben sei, dass Tesla für seinen NACS-Vorschlag (North American Charging Standard) Kommunikationsstandards nach DIN und ISO nutze, schreibt CharIn in einer Stellungnahme von dieser Woche. Ebenso begrüße man den Einsatz dafür, den Markt für Elektromobilität schneller voran zu bringen.
Ansonsten aber hat der Verein, zu dessen Core Members Tesla laut der Website zählt, wenig Gutes über die Initiative zu sagen. Die Mitglieder sollten sich lieber auf Möglichkeiten konzentrieren, den Markt zu beschleunigen, statt eine weitere Formfaktor-Alternative vorzuschlagen, die zu mehr Verwirrung bei Verbrauchern führe und die Elektroauto-Verbreitung verzögere, schreibt CharIN. Danach werden Vorteile der CCS-Lösung und negative Folgen der Tesla-Initiative aufgezählt.
Zu den Stärken von CCS zählt laut dem Verein, dass fast 300 Mitglieder den Standard nutzen oder in ihn investieren, darunter die Mehrheit der großen Auto-Hersteller – auch Tesla wird genannt. In den USA sei er in 50 Elektroauto-Modellen integriert und zudem geeignet, um ohne Adapter auch alle Ladestationen nach dem Standard J1772 zu nutzen. Weltweit gebe es 61.000 Gleichstrom-Ladeplätze mit CCS-Konnektor, an Supercharger-Säulen nur 40.000 Stück, in Nordamerika 18.405 Supercharger und 18.880 CCS-Ladeplätze. Tesla hatte zu seinem NACS ohne geografische Angabe geschrieben, 60 Prozent mehr Säulen zu haben als alle CCS-Netze zusammen.
Eigene Tesla-Wege für Megawatt-Laden
Um zu einem Standard zu werden, müsse der Tesla-Vorschlag die üblichen Prozesse bei den zuständigen Gremien durchlaufen, schreibt CharIN weiter. Die Folge sei jedoch eine Disruption der Elektroauto-Branche, weil Energie und Ressourcen auf einen weiteren Standard mit langen Entwicklungszeiten abgelenkt würden. Auch laufende regulatorische und politische Diskussionen würden wahrscheinlich gestört, was wichtige Entscheidungen über Ladeinfrastruktur für Elektroautos zu verzögern drohe. Im Übrigen sollten keine öffentlichen Mittel für die Finanzierung nicht standardisierter Ladesysteme ausgegeben werden.
Tesla werde als CharIN-Mitglied dringend ermutigt, mit den anderen Mitgliedern und Standard-Organisationen zusammenzuarbeiten, um schneller zu einer interoperablen Lösung zu kommen, erklärt der Verein. Zusammenarbeit in einem Ökosystem sei ein bewährtes Mittel, um zu echten Standards zu kommen, die breit akzeptiert werden. Diesen Weg wolle man weitergehen. Das hört sich wie eine Absage an den NACS an – und der nächste Streit mit dem eigenen Mitglied könnte folgen: Bei Lastwagen-Laden setzt sich der Verein für den Standard MCS ein, während Tesla mit Megachargern für den Semi und offenbar auch für den Cybertruck auch hier eigene Vorstellungen zu haben scheint.