Bei Karosserieformen wird die Auswahl unter Elektroautos größer, noch selten aber sind die vor allem in Deutschland beliebten Kombis. Einzig der MG5 wird von seinem Hersteller MG auch so bezeichnet, daneben erinnert noch der Porsche Taycan Cross Turismo an einen Kombi, heißt aber nicht so. Auch der Skoda Enyaq iV hat etwas davon, ist letztlich aber eher ein SUV-Crossover. Doch jetzt kommt Audi mit einem ehrlichen Kombi als Elektroauto, auch wenn er dort natürlich wie üblich Avant genannt wird. Noch ist der A6 Avant e-tron eine Studie, soll aber zu 90-95 Prozent aussehen wie das Serienmodell.
Audi-Elektroauto im Boomer-Format
Kombis sind nicht so hoch wie ein SUV (Luftwiderstand) und nicht so schwer und groß wie ein Van. Man kann aber deutlich mehr mit ihnen transportieren als mit Limousinen. Doch in Nordamerika ist der SUV beliebter, und in China gibt es (fast) keine Kombi-Begeisterung. Es ist wohl ein europäisches, eventuell sogar nur ein deutsches Phänomen. Zudem sind Kombis ein Format der Boomer-Generation. Der Audi 100 kam 1977 als Avant auf den Markt. Der Hersteller prägte den Slogan: Schöne Kombis heißen Avant. Heute heißt es in Gesprächen mit Herstellern hinter vorgehaltener Hand: Der Kombi ist etwas für alte, weiße Männer. Jüngere Käufer bevorzugen andere Karosserieformen.
„Für uns ist das ein entscheidendes Segment“, sagte dennoch Audi-CEO Markus Duesmann bei der Jahrespressekonferenz am Donnerstag zu dem elektrischen Avant. Unter den etablierten Herstellern zählt Audi zu den Vorreitern der Elektromobilität. Aktuell sind acht E-Modelle im Angebot, bis 2026 sollen es 20 werden. In dem Jahr geht die letzte Verbrenner-Baureihe in Serie. Spätestens ab 2028 sollen im Stammwerk Ingolstadt nur Elektroautos vom Band rollen. Die heutigen e-tron-Reihen werden in Brüssel, Neckarsulm und Zwickau gefertigt.
Audi und Porsche setzen auf PPE
Der elektrische A6 Avant ist eines der ersten Modelle auf der Premium Platform Electric (PPE), die Audi zusammen mit Porsche entwickelt. Der Kombi erhält nach den Angaben ein 800-Volt-Batteriesystem mit einer Akku-Kapazität von rund 100 kWh. Damit soll eine WLTP-Reichweite von 700 km möglich sein. Die Allrad-Variante soll 350 kW Motorleistung und 800 Nm Drehmoment bieten. In unter vier Sekunden beschleunigt der Wagen laut Audi auf 100 km/h. Die Variante mit Heckantrieb soll das in unter sieben Sekunden schaffen. Die Gleichstrom-Ladeleistung beträgt bis zu 270 kW, genau wie beim Audi e-tron GT. In 25 Minuten sind von 5 bis 80 Prozent SoC geladen.
Zum Verbrauch machte Audi noch keine Angaben. Der Wert wird maßgeblich vom Luftwiderstand bestimmt. Beim Blick auf die 4,96 Meter lange Konzept-Version fällt der Einfluss des Windkanals sofort ins Auge. So setzt Audi auf kleine Kameralinsen statt der größeren Außenspiegel. Natürlich ist die Frontpartie geschlossen, kleinere Lufteinlässe befinden sich in Bodennähe. Der Heckspoiler streckt den 1,44 Meter hohen Kombi nicht nur optisch, sondern sorgt auch für eine saubere Abrisskante.
Was bei BMW die auffällige Niere auch bei Elektroautos ist, ist bei diesem Audi der Diffusor. Die Luftkanäle im Heck wirken massiv, auch weil sie farblich abgesetzt sind. Sollen sie für Kombi-Boomer etwa optisch den Auspuff ersetzen? Hier muss man wohl den Ingenieuren Glauben schenken, wenn sie sagen: Der Diffusor sorgt für eine verwirbelungsfreie Ausströmung der Luft, die unter dem Wagen entlang strömt. Sie sollen den Luftwiderstand reduzieren und für einen minimierten Auftrieb der Karosserie sorgen.
Spiele und Filme mit VR-Brillen
Eine Sache hat sich Audi offenbar bei Tesla abgeschaut. Mit den digitalen Matrix-LED-Scheinwerfern in der Front kann man während Ladepausen Projektionen an eine Wand werfen. Audi plant hier mit Video-Spielen, statt wie bislang Tesla nur den Firmennamen zu projizieren. Spiele bekommen zudem nicht nur bei dem Avant-Elektroauto bei Audi größere Bedeutung. Das System Holoride soll in neuen Autos ab diesem Sommer Filme und Spiele mit VR-Brillen bieten, die Passagiere während der Fahrt nutzen können. Dabei werden die Fahrzeugbewegungen (Beschleunigung, Abbiegen) synchron in das Spielgeschehen eingebunden, sodass den Nutzern nicht übel wird.
CEO Duesmann blickte bei der Präsentation auch auf das vergangene Jahr zurück, in dem nach seinen Angaben eine sechsstellige Zahl an Fahrzeugen aufgrund der Halbleiterkrise nicht ausgeliefert werden konnte. Trotzdem lag die Steigerung bei Elektroautos in 2021 bei 58 Prozent auf 82.000 Fahrzeuge. Der Audi A6 Avant e-tron dürfte 2024 in den Verkauf gehen. Er dürfte für Audi eine wichtige Ergänzung sein, um das Portfolio abzurunden. Bislang sind Ober- und Mittelklasse-SUV (e-tron, Q4 e-tron) sowie ein Sportwagen (e-tron GT) im Angebot.