Der Volkswagen-Konzern hat viel später als Tesla begonnen, sich ernsthaft mit Elektroautos zu beschäftigen – um den Herausforderer aus Kalifornien ernst zu nehmen, musste erst der aktuelle Vorstandschef Herbert Diess kommen. Doch seit er am Ruder ist, lenkt der frühere BMW-Manager Volkswagen konsequent und offen auf Tesla-Kurs, bei Antriebsfragen wie bei Software. Und dabei hat er den Vorteil, dass einmal entwickelte Technik konzernweit eingesetzt werden kann. Auf diese Weise kommt jetzt auch die VW-Tochter Audi zu ihrem ersten Elektroauto ohne Verbrenner-Verwandtschaft: Der am Dienstag präsentierte e-tron GT basiert auf dem Porsche Taycan – und rückt in mancher Hinsicht zumindest näher an das Tesla Model S heran.
Audi e-tron GT lädt schnell wie Taycan
Zwei Kriterien sind bei Elektroautos stets besonders wichtig: Reichweite und Ladegeschwindigkeit. Beim ersten Punkt bleibt Audi jedenfalls nach Norm-Daten wie Porsche mit dem Taycan recht deutlich hinter Tesla, beim zweiten bietet der e-tron GT mehr als die Modelle des Pioniers. In der Basis-Version GT quattro kommt der Elektro-Audi bis zu 487 Kilometer weit, als schnellerer RS sind es 472 Kilometer, jeweils nach WLTP. Bei Tesla fährt schon das Model 3 mit 580 Kilometern weiter, und das Model S mit (wegen des Refresh aktuell nur geschätzten) 628 Kilometern erst recht.
Aber das Audi-Elektroauto lädt schneller nach: nach Angaben des Unternehmen mit bis zu 270 Kilowatt, während bei Tesla bei 250 Kilowatt Schluss ist. Ein Teil dieses Vorteils wird durch die geringere Effizienz beim Fahren wieder zunichte gemacht. Auf der anderen Seite ist vom Porsche Taycan schon bekannt, dass er seine Spitzen-Ladeleistung viel länger hält als das Model 3. Beim e-tron GT mit der gleichen Elektro-Technik dürfte es ähnlich sein.
So viel moderne Technik hat bei Audi ihren Preis. Den e-tron GT quattro gibt es ab 99.800 Euro, das RS-Modell kostet mindestens 138.200 Euro. Damit liegen die Preise merklich über Teslas Premium-Limousine Model S, die zudem nahezu vollständig ausgestattet ist und vor allem hinten mehr Platz bietet. In der aufgefrischten Version kostet das Model S ab 86.990 Euro – und beschleunigt nebenbei schon in der Variante Maximale Reichweite schneller als der Audi in der RS-Version.
Dennoch sind 4,1 Sekunden bis 100 Stundenkilometer beim quattro und 3,3 Sekunden beim RS gewiss nicht zu langsam. Das Aussehen wiederum ist wie immer Geschmackssache, aber wer das Audi-Design schätzt, wird auch den e-tron GT mögen. Seine Taycan-Verwandtschaft sieht man ihm kaum an, und mit seiner geduckten Haltung und dem knackigen Hinterteil könnte er sportlich orientierten Kunden gefallen. Auch innen bleibt der Elektro-Audi ein Audi mit einem Cockpit voller Knöpfe statt reduzierter Touchscreen-Bedienung wie bei Tesla. Eine Folge davon ist, dass GT-Fahrende zwar einen recht großen Tacho-Bildschirm hinter dem Lenkrad haben, aber einen mit 10,1 Zoll für die heutigen von Tesla geprägten Verhältnisse geradezu winzigen Touchscreen in der Mittelkonsole.
Viele Extras für deutsches Elektroauto
Ebenfalls abweichend zur Tesla-Philosophie und getreu der bisherigen deutschen gibt es bei dem Elektro-Audi jede Menge Extras. Der Konfigurator war am Mittwochvormittag noch nicht freigeschaltet (der „Vorverkauf“ des GT soll im Februar beginnen), aber allein in der Pressemitteilung zum e-tron GT ist auf 14 der 26 Seiten „optional“ oder „Option“ zu finden, oft mehrfach. Manches davon wie Hinterrad-Lenkung oder Head-up Display gibt es bei Tesla derzeit nicht, anderes wie die „phone box“ zum drahtlosen Aufladen und Verbinden von Mobiltelefonen ist dort Serie.
Schon mit dem originalen e-tron, der noch auf dem Verbrenner-Auto Q5 basiert, kam Audi im vergangenen Jahr auf Platz 5 der europaweiten Bestseller-Liste für Elektroautos, weit vor Tesla Model S und Model X, die er aber auch beim Preis unterbietet. Mit dem e-tron GT kommt Audi Tesla auch technisch näher, ruft dafür aber deutlich höhere Preise auf. Erst für 2024 hat sich die VW-Tochter für den ganzen Konzern ein Elektroauto vorgenommen, das Tesla in jeder Hinsicht mindestens ebenbürtig ist. Laut Audi-Chef Markus Duesmann soll es sogar neue Maßstäbe setzen – was aber möglicherweise außer Acht lässt, dass Tesla alles andere als stillsteht.