Je nachdem, welche Marktforscher man fragt, wollen Autohersteller mit ihren Partnern in den nächsten Jahren bis zu einer Terawattstunde oder sogar mehr an jährlicher Produktionskapazität für Elektroauto-Batterien aufbauen. Auch die dafür nötigen Rohstoffe sollen nach Möglichkeit aus Europa bezogen werden – schon weil sie ansonsten weltweit zunehmend knapp werden. Große Hoffnungen ruhten dabei auf einem Projekt des globalen Rohstoff-Riesen Rio Tinto in Serbien. Doch überraschend zog die Regierung des Landes jetzt alle Lizenzen dafür zurück.
Elektroauto-Batterien brauchen Lithium
In großen Mengen wird Lithium für sämtliche heute verbreiteten Elektroauto-Batterien benötigt – bei den leistungsfähigen, aber teureren NMC-Zellen ebenso wie bei der LFP-Chemie, die von China ausgehend auch im Westen zunehmend gefragt wird. Tesla-Chef Elon Musk hat zwar erklärt, dass er sich um die Versorgung damit wenig Sorgen macht, und stattdessen Nickel als Engpass hervorgehoben. Doch der Preis für Lithium hat schon im vergangenen Jahr drastisch zu steigen begonnen, und Beobachter sind mit Blick darauf weitaus weniger entspannt.
Das gilt insbesondere für den Bedarf der vielen geplanten Europa-Fabriken, deren rechtzeitigen Aufbau mitsamt Rohstoff-Lieferketten zum Beispiel VW-Chef Herbert Diess vor kurzem als riesige Herausforderung bezeichnete. Das Vorhaben von Rio Tinto hätte einen erheblichen Beitrag zur Entspannung der Lage bei Lithium leisten können – laut der Beratungsfirma Benchmark Minerals sollte es 27 Prozent des europäischen Bedarfs im Jahr 2030 liefern. In dieser Woche aber habe die Regierung plötzlich das Ende des Projekts verkündet.
Das sei ein Schlag für die europäische Batterie-Versorgung, kommentieren die Marktforscher – und zwar schon der zweite, nachdem das britische Unternehmen Johnson Matthey 2021 seinen Ausstieg aus dem Geschäft mit Batterie-Materialien verkündet habe. Für die Entscheidung in Serbien hätten vordergründig anhaltende Proteste von Umweltschützern eine Rolle gespielt. Benchmark sieht aber auch einen möglichen Zusammenhang mit der Verstimmung um den serbischen Tennis-Star Novak Djokovic, der wegen einer fehlenden Coronavirus-Impfung aus Australien ausgewiesen wurde. Dort hat Rio Tinto zur Hälfte seinen globalen Sitz und viele Minen.
Hoffen auf Kompromiss nach Wahlen
Indirekt könnte die ohnehin stark bremsende Corona-Pandemie also dazu führen, dass ein großer Teil des von und für Europa erhofften Batterie-Lithiums ausbleibt. Allerdings hält Benchmark Minerals auch für möglich, dass die anstehenden Wahlen in Serbien zu der abrupten Entscheidung gegen Rio Tinto beigetragen haben. Das Unternehmen selbst erklärte laut der Nachrichten-Agentur Reuters, es sei „extrem besorgt“ deswegen, und werde die rechtlichen Grundlagen prüfen. Und ein anonymer Aktionär äußerte die Hoffnung, dass sich nach der Wahl im April doch noch ein Kompromiss finden werde.