In den USA scheint sich eine Geschichte zu wiederholen, die in Deutschland schon früher begonnen hat. Hierzulande zeigte sich der VW-Konzern in Gestalt seines Vorstandschefs Matthias Müller bis 2018 arrogant gegenüber Tesla, wird seitdem aber von Herbert Diess geleitet, der den Elektroauto-Pionier im Gegenteil immer wieder als Vorbild darstellt. Im Namen von Ford wiederum warnte der damalige CEO noch im Sommer 2019, Tesla werde es mit dem „ultimativen Disruptor“ zu tun bekommen. Sein Nachfolger Jim Farley aber bedankte sich jetzt öffentlich bei CEO Elon Musk – und kündigte intern an, von Tesla lernen zu wollen.
Ford fügt sich in Tesla-Realität
Die Parallele zu Diess, der Musk sogar schon als Video-Gast in eine VW-Führungskräfte-Tagung holte, wird damit überdeutlich. Der Volkswagen-Chef bekannte vor kurzem, ihm sei klar, dass manchen seine häufigen Tesla-Vergleiche auf die Nerven gehen – wenn er damit aufhöre, sei aber auch niemandem geholfen. Ganz ähnlich scheint sich auch Farley mit Ford in die von Tesla und Musk geschaffene neue Realität zu fügen. Ebenso hat das US-Unternehmen wie VW (aber auch hier später) begonnen, ernst gemeinte Elektroautos auf den Markt zu bringen und Milliarden in noch viel mehr davon (im Foto oben der E-Pickup F-150 Lightning) zu investieren.
Wenn ein etablierter Autohersteller diese Phase erreicht hat, scheint das bei manchen die Stärken von Tesla klarer zu machen. „Vielen Dank für das Vorangehen“, schrieb Ford-Chef Farley zunächst Ende Oktober als Antwort auf eine Twitter-Nachricht von Musk. Der hatte vorher ein weiteres Mal erklärt, dass Tesla und Ford die einzigen beiden US-Autohersteller seien, die noch nie insolvent waren. Für seinen Dank bekam Farley zwar keine öffentliche Antwort von Musk selbst, aber Lob von einem eingefleischten Tesla-Fan.
Thanks for leading the way…. https://t.co/V5HpjAgl6A
— Jim Farley (@jimfarley98) October 28, 2021
Ungefähr zur gleichen Zeit erzählte der Ford-Chef zudem in einer Video-Vollversammlung vor den Beschäftigten genauer, in welcher Hinsicht er Tesla folgen will, berichtete in dieser Woche die Detroit Free Press. Demnach verwies Farley auf den Kauf von 100.000 Model 3 durch Hertz, die Tesla-Bewertung von mehr als einer Billion Dollar und darauf, dass das Model 3 neuerdings das bestverkaufte Auto in Europa sei und in Kalifornien schon länger. Diese Konkurrenz dürfe Ford nicht ignorieren, sondern müsse sich anschauen, was man von Tesla lernen könne.
Elektroautos „hochgradig differenziert“
Im Detail zählte Farley drei Punkte auf, berichtet die Publikation aus einer Aufzeichnung der Video-Konferenz. Der erste sei das Direktverkaufsmodell mit den einfachen Bestellungen im Konfigurator ohne Preisverhandlungen. Zweitens maximiere Tesla die Nutzung von Elektronen in seinen Fahrzeugen wie kein anderer – „ihre Kunden zahlen weniger für eine bessere Batterie“, was auch an vertikaler Integration liege. Drittens seien die Elektroautos von Tesla im Vergleich zu Verbrennern „hochgradig differenziert“ (was man schlicht als „viel besser“ verstehen könnte), und gleichzeitig weitaus weniger komplex. Das ermögliche eine schnelle Skalierung und Kostensenkungen.
Der Markt entwickle sich rapide in die Richtung von Elektroautos, sagte Farley laut Detroit Free Press unterstützt von einer Folie weiter. Ford mache zwar Fortschritte, habe aber noch reichlich Arbeit vor sich. Die Konkurrenz in dem neuen Bereich – nicht nur durch Tesla, sondern auch andere Startups – sei „unglaublich“. Ford und Volkswagen sind längst nicht die einzigen alten Autohersteller, die inzwischen massiv in Elektrifizierung und Digitalisierung investieren. Aber ihre Chefs scheinen am ehesten bereit zu sein, ihre vergleichbaren Schwächen und die Vorteile von Tesla einzugestehen – was auf der anderen Seite eine Stärke ist.