Nach der Darstellung des obersten Verantwortlichen, also Vorstandschef Herbert Diess, befindet sich der Volkswagen-Konzern konsequent auf Elektroauto-Kurs nach dem Vorbild von Tesla. Im September sollen die ersten Exemplare des ID.3 als dem ersten VW-Elektroauto auf der neu entwickelten MEB-Plattform ausgeliefert werden, gefolgt von vielen Ablegern von VW selbst und anderen Konzernmarken wie Audi. Zudem soll eine eigene konzernweite Einheit für Auto-Software den Rückstand auf Tesla speziell in diesem Bereich verringern. Doch schon wenige Wochen nach der Verkündung dieser Pläne wurde jetzt bekannt, dass der für ihre Umsetzung eingesetzte Manager abgelöst wird.
Mehr Widerstand bei VW als bei Tesla
Wenn bei Tesla CEO Elon Musk etwas entscheidet, dürfte es niemanden geben, der ihn daran hindern kann – und dass das Unternehmen ausschließlich reine Elektroautos herstellt, steht außer Frage. Bei einem riesigen und historisch gewachsenen Gebilde wie dem deutschen Volkswagen-Konzern sieht es ganz anders aus. Nicht nur verfügen manche Manager sowie Arbeitnehmer-Vertreter über langjährige Hausmacht, als politischer Faktor ist zusätzlich das Land Niedersachsen beteiligt. Und natürlich muss VW wie jeder konventionelle Hersteller mindestens eine Zeitlang den Spagat zwischen Verbrennern und Elektroautos in Management, Produktion und Marketing schaffen.
Dass all das viel mehr Widerstände bedeutet als bei Tesla, musste Volkswagen-Konzernchef Diess auch schon persönlich erfahren: Anfang Juni wurde ihm der Zusatz-Posten als CEO der Marke VW entzogen, nach Berichten auf Betreiben der Arbeitnehmer-Seite (offiziell ist er aus eigenen Stücken gegangen). Und am Montag berichtete das Handelsblatt, dass einen seiner Verbündeten ein ähnliches Schicksal getroffen hat: Christian Senger, mit Diess von BMW zu Volkswagen gewechselt und dort ebenfalls Vorstandsmitglied, soll als Vorstand sowie als CEO der Einheit car.software.org ersetzt werden.
Diess festigt eigenen Elektroauto-Kurs
In dieser Organisation will VW Software für alle Marken selbst entwickeln, um den Rückstand auf Tesla zu verringern, den Beobachter vor allem in diesem Bereich sehen. Senger hatte deren Aufbau bei seinem Wechsel zu VW übernommen, und als sie Anfang Juli offiziell an den Start ging, erhielt der Diess-Verbündete den Posten als ihr CEO. Senger habe sich bei Führungskräften anderer VW-Marken unbeliebt gemacht, berichtet das Handelsblatt jetzt dazu, weil er ohne genaue Erklärungen immer neue Ressourcen angefordert habe.
Laut dem Bericht der Wirtschaftszeitung wird Senger nicht nur den Posten als Software-CEO verlieren, sondern auch seinen Sitz im Volkswagen-Vorstand. Den Umbau in der Führung habe aber Konzernchef Diess selbst vorbereitet; auch bei anderen VW-Marken seien bereits hohe Manager ausgetauscht worden. Damit festige der offiziell höchste Volkswagen-Mitarbeiter seine Stellung wieder, nachdem er vor der Teil-Degradierung im Juni zuvor beinahe selbst abgelöst worden wäre. So umweglos wie Tesla-Chef Musk dürfte Diess aber auch in Zukunft nicht agieren können.