Dass die Supercharger von Tesla auch für Elektroautos anderer Marken funktionieren, zeigte sich eindrucksvoll in diesem Sommer in Deutschland: Ein offenbar unwissender Neubesitzer eines e-Golf versuchte es an einer neuen V3-Ladesäule einfach und bekam problemlos Strom daraus – die Nachricht sprach sich herum, und bald waren an mehreren Superchargern fremde Elektroautos zu sehen, die eifrig luden, und zwar kostenlos. Laut Tesla war die kurze Offenheit für alle ein Versehen. Grundsätzlich aber gilt weiterhin die Aussage von CEO Elon Musk, dass das Supercharger-Netz auch anderen Herstellern zugänglich gemacht werden könnte. Und seine China-Chefin hat das jetzt noch einmal bestätigt.
Teslas Ladenetz als Wettbewerbsvorteil
„Wir schließen nicht aus, die Nutzung von Tesla-Ladestationen in Zukunft auch für andere Elektroauto-Marken anzubieten“, sagte laut Twitter-Berichten am Dienstag Grace Tao, als Vice President zuständig für das China-Geschäft. In diesem Fall sei aber eine vorherige Zertifizierung der Fremd-Fabrikate bei Tesla erforderlich. Konkrete Angaben oder Termine nannte Tao nicht, was bedeuten dürfte, dass es vorerst tatsächlich nur um eine theoretische Möglichkeit geht.
Zumindest in Europa erweist sich das Supercharger-Netz von Tesla zunehmend als bedeutender Wettbewerbsvorteil. Vorzeigbare Elektroautos gibt es inzwischen auch von anderen Herstellern, aber keiner von ihnen baut wie Tesla gleichzeitig ein eigenes Ladenetz dafür auf. Die Folge ist, dass immer wieder von elektrischen Reisen mit erheblichen Problemen berichtet wird. So stand der Besitzer eines Porsche Taycan aus Norwegen auf dem Weg nach Spanien mehrmals vor nicht nutzbaren Säulen, zu denen ihn das Navigationssystem geleitet hatte, und musste einmal sogar abgeschleppt werden. Und vor kurzem berichtete ein Leser von teslamag.de von einer „Horrorfahrt“ nach der Abholung seines VW ID.3 in Wolfsburg.
We do not rule out possibility to offer Tesla charging stations to other #EV brands in future, #China media citing Tesla VP.
Shanghai 10K #charger/year factory to build chargers per China standards & supply local market, we have not decided yet if we will export them, VP added. pic.twitter.com/y67ongf671— Moneyball (@DKurac) December 1, 2020
Bei der Zahl der Lade-Standorte wird Tesla in Deutschland inzwischen von mehreren Anbietern übertroffen, und im Rest Europas und auch in China dürfte es nicht anders aussehen. Aber die eigenen Supercharger sind strategisch positioniert und haben den entscheidenden Vorteil, dass sie so gut wie immer zuverlässig funktionieren; wenn doch Säulen ausfallen, wird das in der Navigation angezeigt.
10.000 Supercharger pro Jahr aus China
In China betreibt Tesla nach aktuellen Aussagen von Tao 500 Supercharger-Standorte. Vergangene Woche wurde bekannt, dass dort eine neue Fabrik nahe der Gigafactory für Model 3 und bald Model Y pro Jahr 10.000 neue Supercharger-Säulen produzieren soll. Dazu sagte die China-Chefin jetzt, es sei noch nicht klar, ob diese alle im eigenen Land eingesetzt oder zum Teil exportiert würden.
https://twitter.com/ray4tesla/status/1333632936097107969
So oder so wird Teslas Supercharger-Netz weltweit weiter ausgebaut und umfasst seit kurzem insgesamt 20.000 Ladepunkte. Das und die zuverlässig funktionierende Nutzung ist gewiss attraktiv auch für andere Elektroautos. Tesla dagegen hätte bei einer Öffnung wohl vor allem finanzielle Vorteile – und würde auch in Marketing-Hinsicht profitieren, wenn alle Welt zum Laden zum Pionier kommt. Dennoch wurde auf Twitter spekuliert, der Hinweis auf die eigene Offenheit sei im autoritären China vielleicht nicht ohne staatlichen Druck erfolgt.