Mit überehrgeizigen Zeitplänen ist Tesla-CEO Elon Musk schon zum Namensgeber für das neue Wort „Elon Time“ geworden, das transportieren soll, dass Zeitangaben des Elektroauto- und Raketen-Unternehmers nicht zu wörtlich zu nehmen sind. Zuletzt hat er eigene Termine zwar sogar übertroffen – die Gigafactory in China wurde schneller fertig als angekündigt und der Markstart des Model Y vorgezogen. Bei einem der ehrgeizigsten Projekte von Tesla überhaupt aber scheint die alte Regel weiter zu gelten: Ein wichtiges Zwischenziel für autonomes Fahren, das Ende 2019 erreicht sein sollte, hat Musk jetzt auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben.
Soon
— Elon Musk (@elonmusk) January 11, 2020
Bis Ende des Jahres würden alle für vollständig autonomes Fahren (Full Self-Driving – FSD) erforderlichen Teilfunktionen fertig entwickelt sein, hatte der Tesla-CEO im Mai 2019 in einem Podcast-Interview erklärt. Dabei verwendete er den Fachbegriff „feature complete“ aus der Software-Entwicklung. Wie ein Reddit-Nutzer erklärt, bedeutet er, dass alle für ein bestimmtes Projekt geplanten Funktionen programmiert und getestet wurden und die für sie definierten Kriterien erfüllen; die Qualität müsse aber nicht unbedingt schon ausreichend für eine breite Veröffentlichung sein.
Noch im Oktober 2019 bekräftigte Musk seine Ankündigung. „Feature complete“ bedeute, dass Elektroautos von Tesla ihre Besitzer mittels Autopilot „von zuhause zur Arbeit fahren können, höchstwahrscheinlich ohne Interventionen“, erklärte er bei einer Telefonkonferenz. Tatsächlich hatte Tesla zu diesem Zeitpunkt in den USA schon die neue Funktion „smart summon“ eingeführt, die selbstständiges Fahren über Parkplätze ohne Mensch am Steuer erlaubt.
Zusammen mit dem schon länger verfügbaren „Navigate on Autopilot“ bedeutete das, dass die Elektroautos von Tesla sowohl auf Parkplätzen als auch auf Fernstraßen in den USA bereits Autonomie-fähig geworden sind (der Fahrer trägt aber weiter die Verantwortung). Als Lücke blieb somit nur noch Stadtverkehr. Und weil Musk kurz vor Weihnachten ein Software-Update mit einer „Vorschau“ auf echtes FSD für erste Tesla-Besitzer ankündigte, entstand kurz der Eindruck, er und sein Unternehmen hätten auch dieses ambitionierte Ziel wie angekündigt schon fast erreicht.
Dann aber kam das Update, und in puncto Autonomie fiel es enttäuschend aus: Die damit ausgestatteten Autos zeigen seitdem zwar Stoppschilder, Ampeln und einige andere Objekte an, nicht aber zum Beispiel Tempolimits. Weitere Äußerungen von Musk dazu blieben zunächst aus, was manche Beobachter vermuten ließ, er habe sich vom Ziel „feature complete“ bis Jahresende verabschiedet.
Eine aktuelle Twitter-Äußerung des Tesla-CEO bestätigt diesen Eindruck: „Bald“, antwortete er am zweiten Januar-Wochenende auf die Frage eines Nutzers, wann denn mit der Veröffentlichung der vollständigen FSD-Funktionen zu rechnen sei. Wie genau diese Zeitangabe zu verstehen ist und welche Teilfunktionen von FSD noch fehlen, ließ Musk vorerst offen.