Ob die Konstruktion von vornherein darauf ausgelegt war, ist nicht bekannt, aber sie ist auf jeden Fall interessant. 2017 haben die drei deutschen Autokonzerne plus Ford das Gemeinschaftsunternehmen Ionity gegründet, das ein Europa-Netz von superschnellen Ladestationen aufbaut. Die CCS-Infrastruktur von Ionity wird mit hohen öffentlichen Subventionen realisiert und das Joint-Venture ist rechtlich eigenständig, aber trotzdem kostet das Aufladen anderer Elektroautos (also auch der von Tesla) dort im Normalfall mehr als doppelt so viel wie für Fahrzeuge der Gründungsgesellschafter BMW, Ford, Mercedes und Volkswagen.
Vom Tesla-Freund zur teuren Option
Was ist passiert? Eine Zeitlang war Ionity ein guter Freund vieler Elektroautos, vor allem des Model 3 von Tesla, weil man dort in der frühen Aufbau-Phase zuerst kostenlos und dann für pauschal 8 Euro pro Sitzung laden konnte, und das bis zu 350 Kilowatt schnell – theoretisch jedenfalls, in der Praxis nutzt das Model 3 maximal rund 190 Kilowatt davon, der Porsche Taycan nimmt bis zu 260 Kilowatt.
Anfang Februar aber wechselte Ionity für alle außer die eigenen Gesellschafter-Marken die Preis-Seite und wurde ausgesprochen teuer: Ohne besonderes Arrangement verlangt Ionity seitdem 79 Cent pro Kilowattstunde, mehr als doppelt so viel wie Tesla am Supercharger und auch über dem Preis anderer CCS-Betreiber. Fahrer eines der Elektroautos von BMW, Audi, Porsche, VW und Ford aber können beim Hersteller teils ohne Grundgebühr Karten kaufen, mit denen sie ungefähr zu Tesla-Preisen Strom bei Ionity bekommen.
Mit der übergreifenden Ladekarte von Maingau Energie lassen sich zwar auch Ionity-Säulen weiter günstig nutzen, aber dieses Angebot muss man erst einmal kennen, und es kann jederzeit enden. Bis Anfang dieser Woche war offen, ob auch eine Ladekarte des ADAC möglicherweise auch weiterhin günstiges Laden bei Ionity erlauben würde. Doch jetzt teilte der Autoclub mit, dass auch er „wegen des dort nun gelten hohen kWh-Preises für Roaming-Partner“ aussteigt.
Ionity: Lade-Tarif bestimmt Hersteller
Kritik an der Differenzierung weist Ionity zurück – auch wenn ein Manager in einem spontanen Interview mit einem YouTuber verraten hatte, dass sie sich auch gegen Tesla-Fahrer richtet. Offiziell aber hieß es von Ionity-CEO Michael Hajesch in einem Interview Mitte Januar: „Attraktive Endkundenangebote“ müssten angeschlossene Mobility Service Provider machen, was Porsche Ladeservice und BMW ChargeNow eben getan hätten.
Das günstige Angebot an Fahrer von BMW & Co. kommt also nicht direkt von Ionity, sondern von den Herstellern, die dafür spezielle Verträge mit dem Ladenetz abgeschlossen haben. Die Erklärung von Hajesch impliziert, dass dies auch jeder andere Elektroauto-Anbieter einschließlich Tesla könnte. In einem weiteren Interview bestätigte er das: Die mit B2B-Partnern ausgehandelten Konditionen für deren Lade-Angebote seien „alle von der Systematik her identisch“. Nähere Auskünfte zur Gestaltung und zu Abweichungen innerhalb desselben Systems gab er nicht, verwies aber auf die Bedeutung des abgenommenen Volumens und „individuelle Anforderungen“.
Ein Trick gegen Tesla und andere?
Und genau darin könnte ein Trick liegen, mit dem Ionity dafür sorgt, dass Elektroautos der Gesellschafter-Marken Vorteile haben und alle anderen Nachteile: Wenn BMW, Ford. Mercedes und Volkswagen zum Discount-Preis riesige Strommengen vorbestellen, die sie letztlich vielleicht gar nicht brauchen, dann fließt das Geld dafür wenigstens an die Beteiligung Ionity, bleibt also sozusagen in der Familie.
Andere Hersteller dagegen müssten für gute Ionity-Preise für ihre Elektroauto-Kunden voll ins finanzielle Risiko gehen. Dabei haben sie, weil alle Platzhirsche schon an dem Joint-Venture beteiligt sind, ohnehin weniger Chancen auf dem deutschen Markt. Die Ausnahme ist hier natürlich Tesla mit seiner besonderen Marken-Strahlkraft und dem technischen Vorsprung, zu dem noch super-einfaches Supercharger-Laden dazukommt.
Prüfung durch Kartellbehörden denkbar
Ob die Ionity-Konstruktion und die heutige Praxis tatsächlich mit solchen Hintergedanken gewählt wurden, ist wie erwähnt nicht bekannt. Falls ja, würde eine weitere interessante Frage lauten, ob der Trick geschickt genug ist, um einer Überprüfung durch deutsche oder europäische Kartell-Behörden standzuhalten. Kompliziert ist die Lage mit Sicherheit, was auch bedeuten dürfte, dass im Zweifelsfall eines Verfahrens keine schnelle Entscheidung fallen dürfte. Dass ein solches schon begonnen hat, ist nicht bekannt. Eine Bürger-Anfrage an das Wirtschaftsministerium mit Fragen dazu hätte nach der üblichen Monatsfrist Anfang März beantwortet sein sollen, was bisher aber nicht geschehen ist.