Der Übernahme von Twitter durch Tesla-Chef Elon Musk scheint nicht mehr viel im Weg zu stehen – auch wenn beide Seiten vereinbart haben sollen, gegen eine Entschädigung von 1 Milliarde Dollar noch Abstand davon nehmen zu können. Hier kann Musk also aller Voraussicht nach seine immer wieder erstaunlichen Pläne umsetzen. In einer anderen Twitter-Hinsicht aber musste er am Mittwoch eine Niederlage einstecken: Ein Gericht versagte ihm den Wunsch, sich dort wieder ohne interne Aufsicht durch Tesla äußern zu dürfen.
Tesla-Chef mit langer Twitter-Geschichte
Auf diese etwas kuriose Regelung hatte sich der Tesla-Chef eingelassen, nachdem die Börsenaufsicht SEC 2018 ein Verfahren wegen Betrugs gegen ihn eingeleitet hatte. Auslöser dafür war seine Ankündigung auf Twitter, über einen Wegkauf von Tesla von der Börse für 420 Dollar pro Aktie nachzudenken und die Finanzierung dafür schon gesichert zu haben. Den zweiten Teil sah die SEC anders, und in einem Vergleich darüber vor Gericht stimmte Musk einer Strafzahlung von 40 Millionen Dollar zu. Außerdem verpflichtete er sich darauf, potenziell kursbeeinflussende Twitter-Nachrichten zu Tesla vorab intern prüfen zu lassen.
Darum schien sich Musk allerdings kaum zu kümmern, und seit diesem Februar ging er auch offen sowie zunehmend offensiv gegen den Vergleich vor. Erst ließ er einen Anwalt vor Gericht erklären, die SEC missbrauche die Regelung, um sein Recht auf freie Meinungsäußerung zu beschneiden. Bei einer Konferenz in Kanada (s. Foto oben) ergriff er dann Mitte April selbst sehr deutlich das Wort dazu: Die „Bastarde“ bei der SEC in San Francisco hätten gewusst, dass sein „Finanzierung gesichert“ von 2018 der Wahrheit entsprochen habe. Trotzdem hätten sie das Verfahren gegen ihn begonnen und ihn damit gezwungen, der Einigung zuzustimmen, weil sonst die finanzielle Existenz von Tesla gefährdet gewesen wäre.
Zweimal die Wahrheit über Musk
Er sei also zum Lügen gezwungen worden, sagte Musk, obwohl es ihm geradezu pathologisch um die Wahrheit gehe. Nach gerichtlicher Lage der Dinge hat er sich damals auf Twitter allerdings falsch und bewusst irreführend geäußert. Zu diesem Ergebnis kam laut Berichten ein anderes Gericht in einer Sammelklage von Tesla-Aktionären, die sich durch die Ankündigung und anschließende Absage des Börsen-Wegkaufs geschädigt sehen. In dieser Woche wurden im Rahmen dieses Prozesses Nachrichten zwischen Musk und dem Chef des saudischen Staatsfonds PIF bekannt, dessen Interesse an Tesla er als Beleg für die gesicherte Finanzierung angeführt hatte.
The text messages @danahull reported are pretty incredible.
On Aug. 10, 2018, a few days after Musk tweeted “funding secured,” he tells Al-Rumayyan to confirm they were having take-private discussions, or “we will never speak again. Never.”
Al-Rumayyan reassures Musk. pic.twitter.com/d8ypCCWOFL
— Craig Trudell (@crtrud) April 25, 2022
Vor Gericht blieb Musk damit bislang erfolglos, doch auf Twitter reagierte er auf die Veröffentlichung, indem er erklärte, der PIF-Chef habe eindeutig zugesagt, Tesla zusammen mit ihm selbst von der Börse zu nehmen, weshalb er die Finanzierung als gesichert bezeichnet habe. Der Tesla-Finanzchef und mehrere andere seien Zeuge gewesen. Das SEC-Büro San Francisco habe schamlos als „Marionette von Leerverkäufer-Haien“ agiert, setzte Musk seinen Angriff auf die Behörde fort. Manche Twitter-Nutzer stimmten seiner impliziten Bewertung zu, dass die neuen Dokumente das belegen würden, andere sahen genau das Gegenteil darin. Die von Musk mit seinem Twitter-Kauf nach eigenen Angaben angestrebte Meinungsfreiheit existiert dort also offenbar – und die von ihm ebenfalls gesuchte Wahrheit sogar doppelt.
Keine Twitter-Freiheit für Tesla-Chef
Wenn Musk Twitter wirklich übernimmt, wird er sich auch allgemein mit Fragen von Wahrheit und dem Umgang damit beschäftigen müssen. Konkreter entschied laut Agentur-Berichten am Mittwoch ein Gericht in New York, dass die mit der SEC vereinbarten Schranken dort für den Tesla-Chef anders als von ihm beantragt nicht aufgehoben werden. Die Begründung laut Bloomberg: Musk könne nicht im Nachhinein eine Vereinbarung streichen lassen, die er bewusst und freiwillig abgeschlossen habe, nur weil das Verfahren jetzt nur noch eine ferne Erinnerung und Tesla nach seiner Einschätzung praktisch unbesiegbar sei. Das hört sich streng an und zugleich interessant. Denn einstweilen bedeutet es, dass Musk auf Twitter selbst dann nicht tun und lassen darf, was er will, wenn er dort bald die Regeln für alle anderen machen kann.