Batterien mögen keine Kälte. Bei niedrigen Temperaturen verlangsamen sich chemische und physikalische Prozesse, die in ihnen ablaufen, sodass ohne Gegenmaßnahmen weniger Energie und Leistung zur Verfügung steht als sonst. Also werden die Akkus von Elektroautos im Winter beheizt – aber weil dafür keine Abwärme aus einem ineffizienten Verbrenner-Prozess zur Verfügung steht, geht das auf Kosten der Reichweite. Eine US-Marktforschungsfirma hat sich für verschiedene Modelle anhand von Praxis-Daten angesehen, was das konkret bedeutet. Die von Tesla erwecken dabei einen überlegenen Eindruck, was aber höchstens zu einem Teil an tatsächlich besserem Wärme-Management liegt.
Chevrolet Bolt verliert fast Drittel
Das US-Startup Recurrent hat sich nach eigenen Angaben vorgenommen, mehr Transparenz über den Zustand von Elektroauto-Batterien zu schaffen. Eigentümer können sich dort anmelden, um über eine App Auskunft über verschiedene Datenpunkte zu bekommen, die dann auch von Recurrent ausgewertet werden. Auf dieser Grundlage sind verschiedene Analysen von Batterie- und Fahrdaten möglich.
Die neueste davon betrifft einen Vergleich der Reichweiten, die man mit den 13 untersuchten Elektroautos bei wohligen 21 Grad gegenüber Temperaturen von 1-7 Grad unter dem Gefrierpunkt erzielen kann. Bei einer ganzen Reihe von Modellen sieht es damit nicht sehr gut aus. Am höchsten ist die Diskrepanz beim Chevrolet Bolt (dessen Produktion wegen Akku-Bränden seit diesem Sommer unterbrochen ist). Gegenüber seiner realen Reichweite im Warmen verliert er nach den Recurrent-Daten 32 Prozent.
Dieses Elektroauto hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Aber auch der fast neue Ford Mustang Mach-E soll volle 28 Prozent Reichweite verlieren, wenn es draußen frostig wird. Auf Platz 3 in der Verlust-Rangliste steht der ebenfalls schon betagte VW e-Golf mit 23 Prozent weniger Reichweite bei Kälte.
Hervorragende Tesla-Werte täuschen
Bei Tesla dagegen ist nach der Recurrent-Übersicht wenig von diesem Effekt zu sehen. Das Model Y, das als erster Tesla mit einer Wärmepumpe zusammen mit einem aufwendigen Vielfach-Ventil ausgestattet wurde, soll sogar mit einem Reichweiten-Gewinn von 1 Prozent gemessen worden sein. Beim Tesla Model S in der früheren Top-Version P100D gingen bei Frost demnach 4 Prozent Reichweite verloren, beim Model 3 Long Range 1 Prozent und beim Model X als alter 75D 0 Prozent.
Das hört sich überragend an – entspricht aber, wie Recurrent selbst festhält, nicht den Erfahrungen, die auch Tesla-Besitzer im Winter machen. Zwar hätten die Elektroautos des Unternehmens tatsächlich ein sehr proaktives System für Wärme-Management. Für die vergleichende Analyse wurden aber keine realen Daten zu Verbrauch und Reichweite ausgewertet, sondern die Angaben, die Tesla für Fahrer seiner Elektroautos anzeigt. Und dieses System ist laut Recurrent so ausgelegt, dass sich ein möglichst konsistentes Bild ergibt. Damit dürfte gemeint sein, dass Tesla unabhängig von Temperatur und echtem Verbrauch stets mehr oder weniger dieselben Reichweiten angibt.
Model 3 in Norwegen auch real vorne
Ob das beim Jaguar I-Pace, der ebenfalls mit einer niedrigen Temperatur-Diskrepanz von 3 Prozent auffällt, auch so ist, lässt sich dem Text von Recurrent nicht entnehmen. Auf jeden Fall wollen die Marktforscher diese Schwäche bei ihrer Tesla-Berwertung beheben, indem sie statt Display-Daten zur Reichweite in Zukunft reale auswerten. Den ultimativen Winter-Vergleich haben sie mit ihrer Studie somit noch nicht geliefert. Aber in einem Kälte-Test in Norwegen hat sich zumindest das Tesla Model 3, in dem neuerdings eine Wärmepumpe wie im Model Y steckt, in diesem März tatsächlich schon bewährt: Dort kam es mit 514 Kilometern am weitesten, wenn auch nur 200 Meter weiter als der Mustang Mach-E mit viel größerem Akku.