Verbände sollten gegenüber Politik und Öffentlichkeit mit einer Stimme auftreten, aber in der Auto-Branche tun sie sich angesichts der unterschiedlich schnell verlaufenden Elektroauto-Transformation schwer damit. Der Volkswagen-Konzern, der 2019 mit dem Austritt aus dem deutschen VDA gedroht haben soll, scheint sich dort zwischenzeitlich arrangiert zu haben. Auf europäischer Ebene aber verzeichnete der Auto-Verband ACEA jetzt den zweiten Austritt innerhalb weniger Wochen. Eine alternative Lobby-Organisation für Europa, in der auch Tesla vertreten ist, gewann dagegen einen weiteren Elektroauto-Hersteller als Mitglied.
Uneinigkeit über Elektroauto-Forderungen
Der Viel-Marken-Konzern Stellantis hatte seinen ACEA-Austritt Mitte Juni nicht näher begründet und hauptsächlich über die Einrichtung eines neuen jährlichen Forums für Freiheit der Mobilität informiert. Vergangene Woche erklärte auch Volvo Cars seinen Austritt, wohl aus den genau entgegengesetzten Gründen, und erklärte sie auch: Die eigene Nachhaltigkeitsstrategie lasse sich nicht mehr vollständig mit der ACEA-Positionierung vereinbaren, schrieb das Unternehmen laut autoevolution.
Volvo Cars, seit Oktober 2021 an der Börse, aber weiter im Mehrheitsbesitz der chinesischen Geely Group, will ab 2025 keine reinen Verbrenner und ab 2030 nur noch reine Elektroautos produzieren. Die ACEA-Positionierung war dem Unternehmen also in dieser Hinsicht nicht offensiv genug. Stellantis dagegen dürfte sich energischeren Widerstand gegen Pläne der EU gewünscht haben, Verbrenner-Neuzulassungen ab 2035 zu verbieten. Der Konzern mit mehreren Kleinwagen-Marken warnte mehrmals, ganze Marktsegmente könnten wegbrechen, wenn Elektroautos nicht deutlich billiger werden.
Laut seiner Website hat der ACEA derzeit 16 große Automobil-Unternehmen mit Sitz in Europa als Mitglieder, darunter neben den drei deutschen Konzernen auch Honda sowie mehrere Lastwagen-Hersteller. Ab Ende 2022 dürften es nur noch 14 sein, denn dann wird der Austritt von Stellantis als einem der größten und von Volvo wirksam.
Tesla und 4 andere Hersteller in Alternative
Der Europa-Verband ist also durch widerstreitende Interessen geschwächt. Auch Volkswagen soll dort schon für Unruhe gesorgt haben, berichtet die Agentur Bloomberg zu den aktuellen Austritten. Für reine Elektroauto-Hersteller aber gibt es schon lange eine Alternative mit einer entsprechend klaren Ausrichtung: Die nach eigenen Angaben im Jahr 1978 gegründete Organisation Avere löst diese Abkürzung in European Association for Electromobility auf.
Zu ihren 45 direkten Mitgliedern zählen zum einen nationale Verbände aus der Branche, zum anderen Anbieter von Elektroautos und Diensten dafür (s. Ausschnitt aus der Liste oben). Tesla selbst ist ebenfalls darunter, ebenso wie Rivian und Lucid aus den USA. Aus China war bereits zuvor das Elektroauto-Startup Xpeng vertreten, und vor kurzem kam laut Avere mit Nio ein weiteres hinzu. Volvo Cars könnte dort ebenfalls bald eine neue Lobby-Heimat finden, genau wie seine chinesische Schwester-Marke Polestar, die jetzt schon rein elektrisch ist. Und sollte auch Volkswagen die Seiten wechseln, würde die ACEA-Alternative noch einmal deutlich gestärkt.