Wenn Sie in den nächsten zwei Wochen in südlichen Gefilden einen grauen VW ID.3 sehen, schauen Sie ruhig etwas genauer hin: Es könnte sein, dass am Steuer Herbert Diess sitzt, der Vorstandschef des Volkswagen-Konzerns. Denn wie Diess am Donnerstag mitteilte, will er das erste Elektroauto auf der neuen MEB-Plattform, das die ersten Kunden erst im September erreichen soll, persönlich ausgiebig testen, einschließlich der Lade-Infrastruktur dafür. Deshalb habe er sich einen ID.3 in München abgeholt und werde damit noch am selben Tag nach Italien fahren.
VW-Chef folgt Tesla-Chef ins Internet
Das schrieb Diess in einem Beitrag für das Kontakt-Netzwerk LinkedIn. Ähnlich wie Tesla-CEO Elon Musk, dem Volkswagen laut seinem Vorstandschef und anderen Managern bei Elektroautos so schnell folgt wie nur möglich, wagt er sich also in soziale Medien – wählt dafür aber die Plattform LinkedIn, auf der es vor allem um Berufliches geht. Das kann man durchaus als strategisch verstehen. Der Erfolg von Tesla beruht auch auf der Begeisterung für den CEO Musk, um den ein veritabler Personen-Kult entstanden ist. Auch in dieser Hinsicht scheint Diess dem Tesla-Chef nacheifern zu wollen, aber eben auf deutsch-zurückhaltendere Art.
Für 37,5 Millionen Follower wie Musk auf Twitter wird das nicht reichen, aber zumindest bei den Elektroautos kommt Volkswagen allmählich auf Tesla-Touren. Schon die Verbrenner-Umbauten e-Golf und e-up verkauften sich zuletzt überraschend gut, auch dank in diesem Jahr schon zweimal erhöhter Förderung via deutscher Umweltprämie. Mit dem von Grund auf neu entwickelten VW ID.3 steht jetzt zudem ein Elektroauto vor dem Start, das sich trotz niedrigerem Preis bei der Reichweite selbst mit dem Tesla Model 3 mit großen Akku messen kann – eine Premiere. Und auf derselben MEB-Basis sollen noch in diesem Jahr der VW ID.4 im beliebten Crossover-Format (also vor dem Tesla Model Y in Europa) und 2021 dann viele weitere Ableger-Elektroautos aller großen Volkswagen-Marken erscheinen.
Diess jedenfalls schrieb jetzt, er freue sich auf die elektrische Fahrt in den Sommer-Urlaub in Italien – Musk bei Tesla macht übrigens nie Ferien, weil er das als gefährlich für seine Gesundheit erlebt hat. Seine Reise gelte offiziell als Erprobungsfahrt, berichtete der Volkswagen-Chef weiter. Einige Kollegen bei VW mache das nervös, sei ihm berichtet worden, aber dazu bestehe kein Anlass. Der VW ID.3 bekomme bislang „tolle Noten“ nach Test-Fahrten. Über seine Erfahrungen will Diess nach der Reise berichten.
Lade-Tests für VW-Elektroauto ID.3
Die Elektroauto-Erprobungsfahrt scheint am Donnerstagvormittag am Ort der Abholung bei VW in München begonnen zu haben. Mit welchem Verkehrsmittel er vorher dorthin gekommen ist, verriet Diess ebensowenig wie das Ziel der Reise. Locker im Radius einer Ladung des größeren ID.3-Akkus liegen schon die ersten italienischen Städte wie Meran. Die bis zu 550 Kilometer Reichweite würden sogar genügen, um bis zu den ersten Küsten-Städten zu kommen – jedenfalls nach der WLTP-Norm.
Spätestens für die Rückfahrt aber wird der VW-Chef den ID.3 laden müssen. Und seine Mitarbeiter zuhause dürften inständig hoffen, dass es ihm dabei nicht so ergeht wie dem Besitzer eines Porsche Taycan aus dem gleichen Konzern: Der frühere Tesla-Fahrer aus Norwegen hatte sich in diesem April mit dem frisch gekauften Sport-Elektroauto auf große Tour nach Spanien gemacht – und wurde von dessen App mehrfach zu inaktiven Ladesäulen gelotst, sodass er einmal sogar abgeschleppt werden musste.