Eigentlich will Tesla jetzt doch bezahlte Werbung machen, wie CEO Elon Musk in diesem Mai auf Anleger-Nachfrage hin zusagte, aber außen einem Twitter-Video für Asien, das fälschlich als Auftakt zu einer TV-Kampagne verstanden wurde (s. Foto oben), war davon noch nicht viel zu sehen. Erst vor kurzem sagte der Tesla-Chef, dass zunächst Experimente im kleinen Stil zur Vorbereitung begonnen hätten. In der Zwischenzeit bewegt das Thema die Gemüter. Ein Nutzer aus Kanada, bei dem „Tesla-Fan“ Bestandteil Pseudonyms ist, hat jetzt in einem langen Beitrag auf X versucht, mehr Sachlichkeit hineinzubringen. Wir geben seine Überlegungen hier mit freundlicher Genehmigung übersetzt wieder.
Sollte Tesla Werbung machen?
Schon seit mehreren Quartalen tobt in der Gemeinschaft der Tesla-Privatanleger eine Debatte über Werbung. Auf beiden Seiten davon gibt sehr ausgeprägte qualitative Meinungen, aber ich möchte versuchen, zu einer stärker quantitativen Einschätzung darüber zu kommen, wie Tesla Werbung nutzen und wie sich das auf sein Geschäft auswirken könnte. Mein Beitrag zu diesem Thema ist sehr lang und detailliert, und behandelt eine Reihe miteinander zusammenhängender Themen als Grundlage für die Schlussfolgerungen.
Im Folgenden werden wir uns ansehen:
– Die Argumente für und gegen Werbung
– Grundlagen der Werbung
– Werbung in der Automobil-Branche
– Wie viel geben die Konkurrenten von Tesla aus?
– Was Tesla von Werbung erwarten könnte
Die Argumente für Werbung
Anhänger von Werbung sagen, dass sie eine Rolle spielen sollte, weil zu den größten Hindernissen für die Verbreitung von Elektroautos falsche Vorstellungen in der Bevölkerung gehören, die mit mehr Informationen und Aufklärung korrigiert werden könnten. Diese fallen in eine von zwei Kategorien:
1. Verhalten/Nutzung
– Reichweitenangst (was passiert, wenn mir mitten am Tag die Batterie-Ladung ausgeht!? Während einer Autofahrt?)
– Ladeinfrastruktur (was passiert, wenn ich eine weite Reise machen muss? Wo finde ich Ladestationen? Wie funktioniert das Laden?)
– Sicherheit (sind Elektroautos sicher zu fahren? Was passiert bei einem Unfall? Brandgefahr?)
– Batterie-Lebenszyklus (wie lange hält meine Batterie? Muss ich sie ersetzen? Wie viel wird das kosten?)
2. Finanziell
– Mehrere Umfragen haben gezeigt, dass normale Verbraucher Elektroautos (insbesondere von Tesla) für teuer und unerreichbar halten.
– Verbraucher sind sich nicht der vielen staatlichen Subventionen bewusst, die zur Senkung der Anschaffungskosten von Elektroautos zur Verfügung stehen.
– 71 Prozent der Amerikaner wissen nichts von der IRA-Steuergutschrift von bis zu 7500 US-Dollar beim Elektroauto-Kauf.
Insgesamt zeigen die oben genannten Punkte eine klare Möglichkeit, gezielt das Bewusstsein dafür zu schärfen, was Teslas im Vergleich zu Verbrenner-Fahrzeugen in der Anschaffung und im Lauf der Zeit tatsächlich kosten.
Befürworter von Werbung (die zufällig auch in Tesla-Aktien investieren) weisen zudem darauf hin, dass die Tesla-Verkäufe in der EU und den USA vom ersten bis dritten Quartal 2023 trotz aggressiver Preissenkungen kaum gestiegen sind, was für eine geringe Preiselastizität spricht. Wenn die Ursache dafür wirklich in zu wenig Wissen liegt, würden auch weitere Preissenkungen nicht zu mehr Volumen-Wachstum führen.
Wenn Tesla diese Herausforderungen mit einer Aufklärungskampagne angehen würde, so diese Seite der Debatte, würde die Gesamtnachfrage nach allen Elektroautos organisch zunehmen. Tesla selbst hätte Unterstützung bei der Erfüllung seiner Mission, und es würde den Bedarf verringern, für höhere Verkäufe die Preise zu senken. Dies wiederum würde Tesla helfen, in den kommenden Jahren profitabel zu wachsen.
Argumente gegen Werbung
Gegner sagen, Werbung sei aus folgenden Gründer nicht nötig:
– Tesla steigert sein Elektroauto-Volumen im aktuellen Hochzinsumfeld immer noch schneller als viele Konkurrenten; der Rückgang der Bruttomarge im Automobil-Geschäft ist nur ein kurzfristiger Gegenwind, wenn man an das langfristige Optimisten-Szenario einschließlich FSD/Robotaxi/Optimus denkt.
– Durch die Preissenkungen trägt Tesla dazu bei, seine Produkte bezahlbarer zu machen und so seine Mission zu erfüllen, den Übergang zu nachhaltiger Energie zu beschleunigen.
– Die Fahrzeuge von Tesla sind für die meisten Menschen immer noch teuer, und Werbung würde zum jetzigen Zeitpunkt nicht wirklich dazu beitragen, den Verkauf zu steigern. Daher ist es besser, Werbeausgaben für einen späteren Zeitpunkt aufzusparen, wenn Tesla eine günstigere Alternative zu seiner S3XY-Palette anbieten kann.
– Das Management von Tesla verfügt über mehr Informationen als private Anleger, also sollte man ihm bei Entscheidungen über die Steuerung von Preisgestaltung, Angebot und Nachfrage vertrauen.
Manche Menschen sind der festen Überzeugung, dass Werbung einfach nicht funktioniert: „Ich schaue mir nie einen Werbespot im Fernsehen an und kaufe dann, was ich darin gesehen habe.“
Grundlagen der Werbung
Wenn Menschen das Wort „Werbung“ hören, denken sie meist sofort an TV-Werbung. Fernsehen ist Teil einer größeren Gruppe verschiedener Werbemöglichkeiten, die zusammen als „Medien“ bezeichnet werden. Medienwerbung umfasst:
– Fernsehen (Live-TV, Internet TV, Video-on-Demand usw.)
– Radio
– Print (Zeitungen, Plakate, Zeitschriften, Direktwerbung, Flyer usw.)
– Digital (Bannerwerbung, Video-Anzeigen usw.)
Weitere Arten von Werbemedien sind:
– Social Media (Anzeigen in sozialen Netzwerken, Influencer-Marketing)
– Bezahlte Suche (Google-Anzeigen)
Jede dieser Optionen hat ihre eigenen Stärken und Schwächen. Fernsehen beispielsweise ist zunächst sehr teuer, hat aber in mehreren Studien gezeigt, dass es hohe Renditen bringt, weil es Verbraucher sehr früh im Kauftrichter anspricht und so tiefen Einfluss auf die Wirksamkeit anderer Werbekanäle hat. So helfen bezahlte Suchanzeigen gut dabei, Verbraucher zu einem Kauf zu bewegen. Aber oft kannten sie das jeweilige Produkt oder die Produkt-Kategorie schon aus früheren Medien-Kontakten (deshalb suchen sie ja im Internet danach).
Aus diesem Grund entwickeln Unternehmen in der Regel Kampagnen, die eine Vielzahl verschiedener Werbekanäle abdecken, um Synergien zu erzielen und ihre Markenbekanntheit/Präsenz zu maximieren. Die relativen Ausgaben für jedes Medium hängen von Branche, Produkt und Kampagne ab. Ausgaben und Strategien werden regelmäßig angepasst, um auf sinkende Erträge zu reagieren.
Die Wirkung von Werbung, also ihre Rendite, folgt einer Kurve (siehe Grafik), die exponentiell beginnt und mit der Zeit flacher wird. Vermarkter vergleichen ständig Kurven zu verschiedenen Medien miteinander und versuchen, ihren Verlauf zu verbessern, indem sie verschiedene Kampagnen und Konzepte testen
Werbung in der Automobil-Branche
Dass etablierte Automobil-Hersteller in viele dieser Werbekanäle investieren, kann jeder leicht sehen. Ständig läuft im Fernsehen oder im Radio Werbung für Autos. Manche Hersteller nutzen auch Twitter oder Facebook. Alte Auto-Unternehmen haben sich zu erfahrenen Werbetreibenden entwickelt.
Ich habe mir einige Studien angesehen, in denen die Rendite von Werbeinvestitionen in Medien bewertet wird. Hier sind interessante Ergebnisse daraus:
– Der Beitrag von Medienwerbung zum Gesamtumsatz beträgt im ersten Jahr 16–21 Prozent; hinzu kommt ein hoher einstelliger Anteil am Umsatz in den Folgejahren.
– Multiplattform-TV hat den stärksten und nachhaltigsten Einfluss auf den Umsatz (die Studien zeigten eine Rendite von 9-14 Dollar pro eingesetztem Dollar im ersten Jahr und eine Gesamtrendite von bis zu 23 Dollar einschließlich der Folgejahre).
– Multiplattform-TV erhöht im Zusammenspiel die Rendite von Digital/Suchwerbung und anderen Hebeln um bis zu 10 Prozent (umgekehrt sinkt sie ohne TV-Unterstützung um 18 Prozent).
Wie viel geben Tesla-Konkurrenten aus?
Unabhängig davon, was Tesla-Kleinanleger darüber denken, ist eines klar: Die Konkurrenten von Tesla machen Werbung, und zwar aggressiv. Nehmen wir den US-Markt als den wichtigsten für Tesla als Beispiel.
Im Jahr 2022 gaben etablierte Hersteller in den USA zwischen 735 und 1427 Dollar pro verkauftem Auto aus, General Motors am meisten und Toyota am wenigsten (siehe Grafik). Die 1427 Dollar pro Fahrzeug bei GM machten zusammen 3,25 Milliarden Dollar aus, 3 Prozent des US-Umsatzes mit Autos bei dem Unternehmen. Ford gab rechnerisch 1,7 Prozent seiner Auto-Einnahmen für Werbung aus, Stellantis 2,3 Prozent. Auf diese Zahlen komme ich später noch zurück.
Was Tesla von Werbung erwarten könnte
Wie bereits erwähnt, wird der Beitrag von Medien zum jährlichen Gesamtumsatz von Automobil-Unternehmen auf 16–21 Prozent geschätzt. Tesla hat (abgesehen von etwas Video-/Influencer-Marketing auf Twitter/X und in anderen Social Media) bislang nie nennenswert in Werbung investiert, also wäre die Rendite bei den ersten Kampagnen exponentiell (erinnern wir uns, dass die Reaktionskurve zunächst steil und erst später flacher verläuft). Wie lange die Kurve im exponentiellen Bereich bleibt, hängt davon ab, wie viel Geld Tesla investieren möchte, wie gut die Kampagne ist (Botschaft, Kreativität usw.), wie gut Segmentierung und Targeting sind und wie geschickt die unterschiedlichen Kanäle gesteuert werden.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Wenn Tesla das Jahr 2023 mit 650.000 verkauften US-Einheiten bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 45.000 Dollar abschließt, entspricht dies einem Umsatz von 29,25 Milliarden Dollar. Unter der Annahme, dass Tesla durch Investitionen in Medien 20 Prozent mehr Umsatz generieren könnte (und dass das die einzige Variable ist, die sich von 2023 auf 2024 verändert), würde das den US-Autoumsatz auf 35,1 Milliarden Dollar steigen lassen, 5,85 Milliarden Dollar zusätzlich.
Aber was wäre der Preis dafür und wie würde es sich auf die Gewinn- und Verlustrechnung auswirken?
Wenn wir von einer sehr konservativen Rendite von 10 Dollar pro Dollar für Werbung ausgehen, müsste Tesla genau 585 Millionen Dollar investieren, um diesen zusätzlichen Umsatz zu bekommen. Das würde zugleich recht genau 2 Prozent seines gesamten US-Umsatzes entsprechen – also Ausgaben auf dem Niveau der Konkurrenten.
Wenn wir den zusätzlichen Umsatz von 5,85 Milliarden Dollar in Autos umrechnen, ergeben sich 130.000 zusätzliche Auslieferungen in den USA, was einen Gesamtabsatz von 780.000 Einheiten bedeuten würde. Noch einmal: In diesem Beispiel würde Tesla den Absatz in den USA um 130.000 Elektroautos steigern, indem es 585 Millionen Dollar für Werbung ausgibt – ohne die Preise zu senken.
Wie ist das möglich?
Werbung würde dazu führen, dass sich die Nachfragekurve von Tesla nach rechts verschiebt (siehe Grafik): Die Nachfrage nach den Produkten zu jedem beliebigen Preis wäre höher, weil Werbung zu breit veränderter Wahrnehmung und Präferenzen am Markt geführt hat.
Die Vorteile davon betreffen nicht nur den Umsatz. Durch den Verkauf von 130.000 zusätzlichen Autos aus denselben Fabriken würden die Fixkosten pro Stück insgesamt sinken, was zu einer höheren Brutto-Marge im Automobil-Bereich führen würde.
Kehren wir zu unserem Beispiel zurück. Unter der Annahme, dass die für 2023 erwarteten 650.000 Elektroautos von Tesla für 45.000 Dollar pro Stück mt einer Auto-Marge´von 18 Prozent verkauft werden, betragen die Kosten 36.900 Dollar pro Auto. Wenn mittels Werbung 20 Prozent mehr Elektroautos verkauft werden und die Durchschnittskosten dadurch um nur 2 Prozent sinken (sicher konservativ), würden die Kosten auf 35.800 Dollar pro Auto fallen, was einer Ersparnis von 1.100 Dollar entspricht. Bei der gesamten Flotte von 780.000 Fahrzeugen würde dies zu Einsparungen von 858 Millionen Dollar führen – und damit die Ausgaben für die Werbekampagne mehr als ausgleichen.
Dieses Beispiel dient nur zur Veranschaulichung, und es gibt einige Einschränkungen (so könnte es länger als ein Jahr dauern, bis Tesla durch Werbeausgaben 20 Prozent mehr Absatz erreicht. Was ich jedoch sagen möchte: Die Argumente für Werbung sind selbst unter recht konservativen Annahmen finanziell überzeugend. Kein Wunder, dass fast jedes andere Unternehmen sie nutzt!
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es eine Reihe von Argumenten für wie gegen Werbung gibt. In diesem Beitrag habe ich einige Daten präsentiert, die meiner Meinung nach deutlich dafür sprechen, dass Tesla über Werbung nachdenken sollte, und zwar aggressiv. Aktuell gibt es in jeder seiner Fabriken Überkapazitäten, und Berlin und Austin sollen erweitert werden, um höhere Produktionszahlen zu ermöglichen und längerfristige Wachstumsziele zu erreichen.
Werbung sollte und wird nichts an der Fokussierung auf die ständige Verbesserung des Produkts und der Verbraucher-Erfahrung damit ändern, die zu Recht immer oberste Priorität bei Tesla haben wird. Auch wird Werbung nicht für alle Zeiten Preissenkungen unnötig machen. Aber sie würde für Tesla deutlich mehr Flexibilität und weniger Berechenbarkeit bei Preisgestaltung und Preisstrategie bedeuten, die finanzielle Seite verbessern und den Übergang des gesamten Marktes zu nachhaltiger Energie beschleunigen.