Scharen von Interessierten wollten bei der IAA Transportation 2024 in der zurückliegenden Woche eine Probe-Beifahrt in dem Tesla-Sattelschlepper Semi machen. Robert Habeck und Volker Wissing gehörten offenbar nicht dazu, doch Auftritte bei der Nutzfahrzeug-Messe in Hannover hatten sie trotzdem – und während der Verkehrsminister EU-Grenzwerte für den CO2-Ausstoß von Pkw in Frage stellte, sagte der Wirtschaftsminister zu, neue Elektroauto-Förderungen zu prüfen. Neues Gezerre gab es auch um mögliche Strafzölle auf Elektroautos aus China. Bei Tesla richtet sich der Blick unterdessen auf die nahende Veröffentlichung der Q3-Verkaufszahlen. Und aus China kommt immer mehr Konkurrenz für den Welt-Bestseller Model Y.
Minister Wissing sieht Wasserstoff-Lkw
Bei seiner Rede zur Eröffnung der Nutzfahrzeug-IAA wies Wissing zum einen darauf hin, dass am Vortag die Ausschreibung für ein schnelles Ladenetz für elektrische Lkw gestartet sei. Mit 4200 Säulen solle eine verlässliche Infrastruktur entlang deutscher Autobahnen entstehen, um die Dekarbonisierung des Lkw-Verkehrs voranzubringen, wie es in einer Presse-Mitteilung dazu heißt. Auf der Messe ließ der Verkehrsminister getreu der FDP-Linie bei Elektroautos jedoch auch wissen, dass er dabei für einen „technologieoffenen“ Ansatz sei. Auch Wasserstoff werde eine Rolle spielen, sagte er, und erntete damit Applaus aus dem Publikum.
Das bezog sich auf den Lastwagen-Bereich, doch kurz nach seinem Messe-Auftritt nutzte Wissing das Sozialmedium X von Tesla-CEO Elon Musk, um sich indirekt auch skeptisch über Pkw-Elektroautos zu äußern. Jede EU-Maßnahme müsse auf wirtschafts-, industrie- und sozialpolitische Bedeutung geprüft werden, unter anderem die Flotten-Zielwerte für den CO2-Ausstoß, schrieb er. Diese werden nach einer Pause seit 2020 im kommenden Jahr wieder deutlich strenger, und die Hoffnung der etablierten Hersteller, sie mit mehr Elektroauto-Verkäufen zu erreichen, erfüllt sich bislang nicht. Damit drohen Strafzahlungen in Milliarden-Höhe.
Elektroauto-Streit bei Europa-Herstellern
Dass die CO2-Regeln strenger werden, ist seit Jahren bekannt, aber dennoch zeigte sich Minister Wissing offen für die zunehmenden Forderungen aus der kriselnden Industrie, sie wieder aufzuweichen. Als Argument dafür wird angeführt, dass die Nachfrage nach Elektroautos schlicht nicht ausreiche. Allerdings ist die Branche in dieser Hinsicht nicht etwa geeint: Während Vertreter von BMW, Renault und Volkswagen laut Wards Auto mehr „Flexibilität“ fordern, scherte der Stellantis-CEO aus. Die Regeln zu ändern, wäre „surreal“, sagte er. Jeder habe genügend Zeit zur Vorbereitung gehabt, und jetzt sei es Zeit für „ein Rennen“.
Die eigene Elektrouto-Bilanz bessert Stellantis unter anderem durch ein Joint-Venture mit dem chinesischen Startup Leap Motor auf, das seit Juli Fahrzeuge nach Europa liefert. Im Sommer vorläufig eingeführte Strafzölle der EU auf Elektroautos aus China könnten sie teurer machen – aber auch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen: Die Abstimmung darüber wurde verschoben, berichtete am Mittwoch Politico. Schon vorher war klar, dass unter den Mitgliedsstaaten keine Einigkeit herrscht. Unter anderem Deutschland soll Elektroauto-Strafzölle ablehnen, weil die Regierung im Gegenzug Hemmnisse gegen lukrative Luxus-Modelle deutscher Hersteller fürchtet.
Habeck will Elektroauto-Förderung prüfen
Auf der IAA Transportation sehen ließ sich am Mittwoch auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck – mit einer anderen Botschaft als sein Verkehrskollege. Daimler Trucks veröffentlichte ein Foto des Wirtschaftsministers am Steuer eines Elektro-Lkw des Typs eActros 600 mit 500 Kilometern Reichweite, neben ihm die neue CEO Karin Rådström (s. oben). Der soll, anders als der Tesla Semi, der nach Aussagen von der Messe frühestens 2026 nach Europa kommt, in diesem November in Serienproduktion gehen. Zwei Tage später war Habeck bei VW in Emden und sagte mit Blick auf Elektroautos, er sehe sich „in der Verpflichtung, dass der Markt wieder anzieht“. Aus diesem Grund will der Minister mögliche neue Förderungen prüfen.
Der großzügige deutsche Elektroauto-Umweltbonus wurde Ende 2023 abrupt abgeschafft, was in diesem Jahr zu einbrechenden Verkäufen bei Tesla wie anderen Anbietern beitrug und auch die europaweiten Zahlen drückt. In diesem August gingen die EU-Neuzulassungen um insgesamt 18,3 Prozent zurück – und die allein von Elektroautos um 44 Prozent, angeführt von Deutschland mit minus 69 Prozent. Im bisherigen Jahresverlauf sieht es mit einem Elektroauto-Rückgang um 8,3 Prozent in der EU weniger dramatisch aus. Aber um die strengeren CO2-Vorgaben für 2025 einzuhalten, braucht die Branche deutlich steigende Verkäufe.
Tesla-Wachstum im dritten Quartal erwartet
Die bräuchte auch Tesla, um Erwartungen seiner Aktionäre gerecht zu werden. In diesem Jahr war von Wachstum bislang nicht viel zu sehen – sowohl im ersten als auch im zweiten Quartal 2024 verkaufte das US-Unternehmen weniger Elektroauto als jeweils ein Jahr zuvor. Im laufenden Vierteljahr könnte diese Durststrecke allerdings erst einmal enden. Mehrere Banken veröffentlichten in der zurückliegenden Woche Analysen, in denen sie von gestiegenen Verkäufen in Q3 2024 ausgingen. Der Konsens liegt derzeit bei etwa 460.000 Auslieferungen von Juli bis September. Bei gut 435.000 Tesla-Auslieferungen in Q3 2023 würde das ein Plus von knapp 6 Prozent bedeuten.
Angesichts sinkender Verkäufe in der EU muss das Tesla-Wachstum von anderen Märkten kommen. Im dritten Quartal war das vor allem China, wo der Elektroauto-Markt einschließlich Plugin-Hybriden anders als im Westen weiter schnell wächst. Laut dem Fondsmanager Gary Black steuert Tesla in China auf sein bestes Quartal aller Zeiten zu und lag dort zuletzt im Vergleich zu 2023 um 20 Prozent vorn. Zu dem anhaltenden Boom in China dürften allgemein staatliche Förderungen beitragen, und Tesla unterstützt eigene Verkäufe wie im Westen derzeit zusätzlich mit subventionierten Zinsen.
Mehr China-Konkurrenz für Tesla Model Y
So schnell wie manche lokalen Hersteller wächst Tesla in China allerdings längst nicht – und sein Model Y als das weltweit meistverkaufte Auto aller Antriebe 2023 bekommt dort (und über Exporte bald wohl auch im Rest der Welt) immer mehr ernsthafte Konkurrenz. Ende August stellte Xpeng das elektrische SUV 03 unter seiner neuen Volumen-Marke Mona vor, jetzt folgte Nio mit dem Onvo L60, also ebenfalls dem ersten Modell einer eigenen Marke für bezahlbare Elektroautos. Die Vorstellung am Freitag war voller Vergleiche mit dem Tesla Model Y, berichtet CnEVPost – doch die Preise für den Onvo-Nio sind wie schon beim Mona 03 bei vergleichbarer Reichweite deutlich niedriger.