Die europäische Auto-Industrie scheint zuletzt erfolgreicher zu werden in ihrem Bemühen, sich gegen immer strengere Emissionsgrenzwerte in der EU zu wehren. In dieser Woche wurde zunächst bekannt, dass die neue Norm Euro 7 weitaus milder werden soll als zuvor erwartet. Und am Donnerstag meldeten zwar der Europäische Rat und das Parlament, dass jetzt Einigkeit über das Vorhaben bestehe, ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zulassungsfähig zu machen. Einen klaren Kurs nur noch in Richtung Elektroautos bedeutet das aber immer noch nicht: In der Mitteilung des Rates brachten es auch E-Fuels zumindest zu einer ehrenvollen Erwähnung, und selbst Hybrid-Technologie ist laut dem Text noch nicht vom Tisch.
Neuer VW-Chef Blume besteht auf E-Fuels
Auf Ebene ihrer Kommission hatte die EU schon im vergangenen Sommer das Paket Fit for 55 beschlossen, das 55 Prozent weniger CO2-Emissionen der Region bis 2030 und keine mehr ab 2050 vorsieht. Teil davon war der Vorschlag, bei Neuzulassungen ab 2035 nur noch lokal emissionsfreie Pkw zu erlauben – er enthielt also eine Art Enddatum für Verbrenner. Lokal sauber sind allerdings nicht nur Batterie-Elektroautos, sondern auch Wasserstoff-Brennstoffzellen. In einer Gesamtbetrachtung können zudem auch mit Strom hergestellte synthetische Treibstoffe (E-Fuels) klimaneutral sein.
Bislang allerdings rechnet die EU nur die Emissionen ab der Energie-Aufnahme im Pkw ein, sodass Elektroautos mit 0 Gramm CO2 bewertet werden – hilfreich für die dadurch makellose CO2-Bilanz von Tesla, aber auch für etablierte Hersteller, um die seit 2020 strengeren Flottengrenzwerte einzuhalten. Auch Brennstoffzellen-Fahrzeuge würden als vollkommen sauber durchgehen, unabhängig davon, wie viel mehr Energie für Wasserstoff- als für Strom-Erzeugung benötigt wird. Bei mit E-Fuels betriebenen Autos aber sieht es anders aus – sie können zwar insgesamt emissionsfrei sein, aber nicht lokal.
Davon abgesehen ist die klimaneutrale Spirt-Herstellung energieintensiv und damit teuer, weshalb E-Fuels in der Breite keine große Rolle für die Zukunft zugetraut wird. Teile der Auto-Industrie bestanden trotzdem auf einer Möglichkeit, mit dieser Technologie das Ende von neuen Verbrenner-Autos noch weiter hinauszuschieben. Hier tat sich insbesondere der Porsche-Chef Oliver Blume hervor, der inzwischen auch den ganzen Volkswagen-Konzern leitet. Während der Verhandlungen um die deutsche Ampel-Koalition habe er in direktem Kontakt zu FDP-Chef Christian Lindner gestanden, brüstete sich Blume laut Berichten in diesem Juli, bevor er das zurücknahm. Die Absicht, im EU-System Ausnahmen für E-Fuels zu bewirken, schaffte es trotzdem in den Koalitionsvertrag.
EU will 2026 auch Plugin-Hybride prüfen
Auf EU-Ebene allerdings scheiterten Blume und andere Lobbyisten zunächst. Ende Juni stellte sich der Rat der europäischen Umweltminister hinter die Kommissionsvorschläge vom Vorjahr. Eine explizite Ausnahme war in ihrer eigenen Einigung nicht vorgesehen, doch sie sprachen sich für eine Zwischenbilanz in 2025 aus, in der auch potenzielle Beiträge von alternativen Treibstoffen berücksichtigt werden sollen. Das war nicht viel, aber tapfer erklärte FDP-Chef Lindner, die EU habe ein Nein zum Verbrenner-Aus beschlossen.
Ähnlich unterschiedlich waren die Interpretationen nach der Meldung von der Einigung im Europäischen Rat am Donnerstag. Ein Europa-Abgeordneter der FDP erklärte auf Twitter, die deutsche Position habe sich durchgesetzt. Verbrenner-Autos sollten mit alternativen Kraftstoffen möglich bleiben. Ein europäischer Grünen-Parlamentarier dagegen schrieb, die FDP habe sich mit ihren E-Fuels nicht durchsetzen können. Eindeutig dürften Neuwagen ab 2035 kein CO2 mehr ausstoßen, auch nicht von E-Fuels.
Recht haben wahrscheinlich insofern beide, als der Rat unter seiner aktuell tschechischen Leitung erklärte, dass die EU-Kommission laut dem Beschluss von Donnerstag gehalten ist, einen Vorschlag für die Zulassungsfähigkeit ab 2035 von Autos vorzulegen, die mit E-Fuels fahren. Tot ist dieses Konzept also offenbar tatsächlich noch nicht, aber ein Vorschlag ist noch kein Gesetz. Spätestens wenn Formulierung und Verabschiedung anstehen, dürften Brüsseler Lobbyisten also wieder auf Hochtouren laufen. Für 2026 ist laut der tschechischen Mitteilung zudem eine Überprüfung der bis dahin erreichten Fortschritte vorgesehen, bei der technische Entwicklungen unter anderem bei Plugin-Hybriden berücksichtigt werden sollen.