Ola Källenius, Vorstandschef des deutschen Autokonzerns Daimler, hat in einem Interview mit dem Handelsblatt erkennen lassen, dass auch er zumindest mit Blick auf die Bedeutung von Software mittlerweile auf Tesla-Kurs ist. Autos würden zu „Smartphones auf Rädern“, sagte er – die elektrischen von Tesla wurden schon oft so bezeichnet. Laut Källenius will jetzt auch Daimler diese Kompetenz entschlossen aufbauen. Aber dabei benutzte er einen Vergleich, der nicht sehr geschickt gewählt scheint.
Gespräche über Software-Allianzen
Dass die Autos von Tesla nicht nur einen überzeugenden und oft überlegenen elektrischen Antrieb haben, sondern auch hinsichtlich Computer-Technik kaum mit herkömmlichen Fahrzeugen zu vergleichen sind, hat sich inzwischen herumgesprochen. Dass es für traditionelle Hersteller nicht einfach ist, den Schritt in die IT-Welt nachzuvollziehen, zeigt sich ebenfalls zunehmend. Wohl am weitesten fortgeschritten unter den deutschen Autokonzernen sind die Elektroauto-Pläne bei Volkswagen – und hier wird aktuell über massive Software-Probleme vor dem anstehenden Start des VW ID.3 in diesem Sommer berichtet.
Nach Berichten von diesem April verhandeln BMW, Daimler und Volkswagen aus diesem Grund mittlerweile sogar im Dreieck über Software-Allianzen. Auch in dem aktuellen Handelsblatt-Artikel zu dem Interview mit Källenius heißt es, „erste Gespräche zwischen hochrangigen Managern von VW und Daimler“ über gemeinsame Software habe es bereits gegeben, die Coronavirus-Krise könne solche Bemühungen intensivieren.
Sorgen wegen Tesla und Google
Sorgen macht den deutschen Konzernen dabei nicht nur Tesla, sondern auch der Rest des Silicon Valley und insbesondere Google, berichtet das Handelsblatt. Erstmals beim Polestar 2, der in diesen Wochen auf den deutschen Markt kommen soll, werde das neue Android Auto OS zum Einsatz kommen, das die komplette Cockpit-Elektronik steuert; auch andere große Autohersteller wie GM und Renault-Nissan würden auf das Fertig-System des Internet-Riesen setzen.
Daimler aber will nicht in US-Abhängigkeit geraten und zudem selbst von den neuen Verdienst-Möglichkeiten mit vernetzten Autos profitieren – Tesla etwa verkauft schon kostenpflichtige Software-Upgrades und will sein FSD-System für Autonomie-Funktionen bald auch im Abonnement anbieten. Laut dem Bericht will der deutsche Konzern hier ebenfalls eigene Wege gehen – oder jedenfalls deutsche im Verbund mit BMW und/oder Volkswagen.
Daimler als Microsoft, Tesla als Apple?
Allerdings sagte Källenius in diesem Zusammenhang, man solle sich das Daimler-Betriebssystem vorstellen „wie Windows für’s Auto“, was ein denkbar unglücklicher Vergleich ist. Windows für Computer hat in den letzten Jahren zwar Fortschritte gemacht, aber als eleganter und stabiler gilt noch immer das Apple-System OS X. Auf Smartphones wiederum – und Källenius sprach ja von Smartphones auf Rädern, nicht von Computern – spielt Microsoft mit seinem Betriebssystem Windows Phone trotz jahrzehntelanger Dominanz bei Desktop-Rechnern kaum eine Rolle.
Wenn man die Aussage von Källenius wörtlich nimmt, hat er also angekündigt, dass Daimler mit großem Aufwand ein Betriebssystem entwickeln will, das in einer veränderten Branche kaum Anklang finden wird. Damit zeigt er vielleicht Lücken in seinem IT-Wissen, die vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen bedenklich wirken. Jedenfalls dürfte Källenius nicht wirklich hoffen, dass Daimler beim Schritt vom Verbrenner- in das Elektroauto-Zeitalter einen ähnlichen Bedeutungsverlust erleben wird wie Windows im Mobil-Bereich. Auf der anderen Seite macht Microsoft mit Desktop- und Cloud-Produkten weiter Rekord-Gewinne – ist aber auch schon immer eine amerikanische Software-Firma gewesen und will es nicht wie Daimler erst noch werden.