Für einen Wert über dem im selben Quartal vor einem Jahr hat es nicht gereicht, aber mit 90.650 Auslieferungen im zweiten Quartal 2020 übergab Tesla weitaus mehr seiner Elektroautos an ihre Besteller, als Analysten angesichts des langen Coronavirus-Produktionsstopps im Werk Fremont erwartet hatten. Damit rückt ein weiterer Quartalsgewinn und somit die Aufnahme von Tesla in den Aktien-Index S&P 500 näher. Für den langjährigen Tesla-Investor Gene Munster aber hat der Tesla-Erfolg im Corona-Quartal viel grundlegendere Bedeutung: Er zeige ein Dilemma für die traditionelle Auto-Industrie, das für Teile von ihr in Restrukturierungen oder der Einstellung des Geschäfts enden werde.
Tesla in Q2 weit vor Konkurrenz
Es werde angesichts von Tesla aktuellen Liefer-Zahlen immer schwieriger, sich eine Zukunft vorzustellen, in der etablierte Autohersteller deutlich höhere Elektroauto-Anteile erreichen werden als heute, schreibt Munster in einer Kurz-Studie seiner Anlagefirma Loup Ventures. In den USA werde es ihnen in den nächsten zwei Jahren kaum gelingen, Tesla etwas von dessen 80 Prozent Marktanteil abzunehmen. Und in zehn Jahren würden einst dominierende Hersteller mit Blick auf die Zukunft des Transports „weitgehend irrelevant“ sein.
Zum Beleg vergleicht der Finanzprofi, der kurz nach der Gründung von Loup Ventures 2017 in Tesla investierte, die Tesla-Zahlen für das Quartal bis Juni. Bei General Motors hätten die Auslieferungen um 34 Prozent abgenommen, bei Toyota (von Tesla soeben als an der Börse wertvollstes Auto-Unternehmen weltweit überholt) um 35 Prozent und bei Fiat-Chrysler um 39 Prozent. Tesla ist laut Munster schlicht deshalb so erfolgreich, weil seine Produkte messbar besser sowohl als Verbrenner- als auch als andere Elektroautos seien.
Tesla-Aktie soll weiter steigen
Grundsätzlich gebe es vier Faktoren, die bei Tesla für Vorsicht sprechen – von denen sich aber zwei schon fast und ein dritter wohl bald erledigt hätten, schreibt Munster weiter. Die ersten beiden seien (gewesen), dass Tesla das Geld ausgehen und an echter Massen-Produktion scheitern würde. Auch die Ansicht, dass Tesla strukturell unprofitabel sei, werde bald nicht mehr überzeugen: Nach den guten Auslieferungszahlen im zweiten Quartal könne Tesla trotz des Corona-Stopps bis Mitte Mai noch einem Gewinn nahekommen.
Damit bliebe laut Munster nur noch die Bewertung als Faktor, der Tesla-Anleger beunruhigen könnte. Doch wenn es Tesla gelinge, dauerhaft 70-80 Prozent des Elektroauto-Markts in den USA für sich zu behalten, dann werde auch die Aktie hoch bewertet bleiben und weiter steigen, weil das Marktpotenzial in den nächsten 10 bis 20 Jahren enorm zunehme. Für den Rest der Auto-Industrie dagegen werde spiegelbildlich zum Erfolg des Elektroauto-Pioniers zunehmend klar, dass sie Tesla nicht einholen könne.
15 Millionen Teslas in 2030?
Denn je größer Tesla werde, desto größer werde auch der Abstand beim Verhältnis von Preis zu Leistung gegenüber traditionellen Herstellern, schreibt der Loup-Gründer weiter. Bei ihnen würden Elektroautos nur im kleinen Maßstab gebaut, was ein Dilemma entstehen lasse. Entweder könnten sie solche Fahrzeuge zu den wahren Kosten anbieten und damit 10-25 Prozent teurer als vergleichbare Teslas – was zu Marktanteilsverlusten führe. Oder sie subventionieren die Elektroautos, um preislich mit Tesla konkurrieren zu können – aber dann verlieren sie umso mehr Geld, je mehr davon verkauft werden.
Daraus gebe es eine logische Schlussfolgerung: Nach der Ansicht von Loup Ventures könnten Auto-Unternehmen, die es sei mehr als 50 Jahren gibt, in ungefähr zehn Jahren ab heute „gezwungen sein, sich zu restrukturieren oder ihr Geschäft aufzugeben“. Für Tesla dagegen erwartet Munster, dass CEO Elon Musk seine Ankündigung einhält, die Verkäufe ein Jahrzehnt lang um 40-50 Prozent pro Jahr steigern zu können. Für 2030 bedeute das gut 15 Millionen verkaufte Teslas nach in diesem Jahr voraussichtlich einer halben Million.