Wenn es nicht so spannend wäre, würde es vielleicht langsam langweilig: Mit Mercedes-Benz hat am Donnerstag eine weitere große Auto-Marke Pläne für ihre Elektrifizierung vorgestellt. Die soll noch einmal deutlich schneller vorangehen und umfassender werden als vor einem Jahr angekündigt. Etwas verspätet will Mercedes damit im Prinzip das machen, was andere etablierte Hersteller wie Volkswagen sich schon vorher von Tesla abgeschaut haben. Aber die deutsche Stern-Marke zeigte sich jetzt selbstbewusst und gut vorbereitet – und wurde auf Twitter sogar etwas frech.
„Bereit für Elektroauto-Wendepunkt“
Bislang plante Mercedes mit 25 Prozent Elektro-Anteil bis 2025 einschließlich Plugin-Hybriden, laut der Strategie-Mitteilung von diesem Donnerstag sollen es jetzt 50 Prozent werden. In selben Jahr will das Unternehmen drei neue Elektroauto-Architekturen einführen. Sein Motto heißt jetzt „electric only“ statt „electric first“. Laut Daimler- und Mercedes-CEO Ola Källenius gewinnt Elektromobilität vor allem im Luxus-Segment an Fahrt. Der Wendepunkt rücke näher, wird er zitiert – „und wir werden bereit sein, wenn die Märkte bis zum Ende des Jahrzehnts vollständig auf Elektroautos umstellen“.
Damit wäre Mercedes sogar früher dran als Audi aus einem ähnlichen Segment. Die VW-Konzernmarke will ab 2033 keine Verbrenner-Autos mehr produzieren, macht dabei aber eine Ausnahme für China, die auch für den Rest von Volkswagen gilt. Aber auch die Källenius-Ankündigung steht zumindest formal unter dem Vorbehalt, dass bis 2030 die jeweiligen Märkte bereit für nur noch Elektroautos sind, wie auch immer das genau gemeint ist.
Zu einem wachsenden Angebot will Mercedes jedenfalls rasch beitragen. Im kommenden Jahr sollen die neuen Elektroautos EQE als Limousine und SUV sowie der SUV-Ableger des EQS kommen. 2024 will das Unternehmen eine neue Plattform für kleinere Elektroautos einführen und im Jahr darauf drei weitere, eine davon für sportliche AMG-Modelle. Begleitend dazu plant Mercedes mit Partnern den Bau eigener Batterie-Fabriken – mit acht sollen es sogar mehr sein als bei Volkswagen, allerdings für nur 200 Gigawattstunden jährliche Kapazität. Wie Tesla und VW will Mercedes zum Teil auf LFP-Zellen setzen und am oberen Ende des Leistungsspektrums selbst an Highend-Zellen forschen.
EQXX-Konzept mit 1000 km Reichweite
Mit dem EQS hat Mercedes nach den zwei Verbrenner-Umbauten EQC und EQV bereits etwas geschafft, das bislang keinem anderen Elektroauto-Anbieter für Europa gelungen ist: Tesla bei der höchsten Reichweite zu übertreffen. Dazu trägt nicht nur ein Akku mit mehr als 100 Kilowattstunden Kapazität bei, sondern auch hohe Effizienz – und hier will Mercedes jetzt noch einmal gewaltig nachlegen: Für 2022 ist die Premiere des Vision EQXX (s. Foto oben) geplant, mit einem einstelligen kWh-Verbrauch pro 100 km und somit mehr als 1000 Kilometern realer Autobahn-Reichweite. Dafür kauft Mercedes unter anderem den britischen Motor-Spezialisten Yasa.
Ein Serien-Elektroauto soll aus dem EQXX offenbar nicht werden. Aber 1000 Kilometer Autobahn ohne Nachladen sind eine Ansage, und Technologien aus dem Konzept sollen laut Mercedes in die neuen Architekturen übernommen werden. Den gleichen Wert (aber ohne Autobahn-Ergänzung) hat Tesla für den neuen Roadster genannt und strebt Volvo Cars laut einer ähnlichen Präsentation von Anfang Juli für die Zukunft zusammen mit Northvolt an.
Mercedes mit Twitter-Spitze gegen Tesla
Wie bei allen Elektroauto-Anbietern einschließlich Tesla ist der größte Teil auch der Mercedes-Informationen von dieser Woche bislang Zukunftsmusik. Aber mit dem EQS ist ein Pfosten in der Gegenwart eingeschlagen und die elektrischen Weichen sind laut dem Unternehmen gestellt.
https://twitter.com/MercedesBenz/status/1418145904683540483
Wohl vor diesem Hintergrund wurde der Twitter-Account der deutschen Marke am Donnerstag auf Twitter geradezu frech: „Es wird schwieriger für Tesla“, kommentierte ein Nutzer die EQXX-Ankündigung dort, worauf Mercedes mit „Es ist schon vor langer Zeit schwieriger für sie geworden“ und einem Sonnenbrillen-Smiley antwortete. Die Provokation rief zwar einige hämische Reaktionen von Tesla-Twitterern hervor – aber längst nicht so viele, wie wenn BMW eines seiner Elektroautos mit übergroßem Pseudo-Kühlergrill präsentiert.