Für viel Aufmerksamkeit sorgte ab vergangener Woche die Unternehmensberatung PwC mit ihrer Vorhersage, ab 2024 könne Europa mit seinen vielen etablierten Herstellern von einem Exporteur per Saldo zu einem Importeur von Autos werden. Dazu soll es durch zunehmende internationale Aktivität von starken Elektroauto-Anbietern aus China kommen, aber auch durch westliche Hersteller, die Produktion dorthin verlagern. Tatsächlich hat das Newcomer-Land bei den Auto-Exporten in diesem Jahr bereits Deutschland überholt, selbst wenn man die hohe Zahl aus der chinesischen Tesla-Fabrik nicht mitrechnet.
China-Elektroautos drängen nach Europa
Im Jahr 2015 exportierte Europa insgesamt noch 1,7 Millionen Autos mehr, als importiert wurden, doch 2024 dürfte sich das laut PwC umkehren. Für das Jahr sei erstmals ein Import-Überschuss der Region zu erwarten, heißt es einer quartalsweisen Betrachtung des Elektroauto-Marktes, die vergangene Woche für Q3 2022 veröffentlicht wurde. Dafür sorge unter anderem die Verlagerung westlicher Elektroauto-Produktion nach China. Im Jahr 2025 könnten schon 800.000 dort produzierte Autos in Europa verkauft werden, schreibt die Unternehmensberatung.
Etwa 40 Prozent davon sollen nach der Prognose von westlichen Unternehmen wie Tesla, BMW oder Dacia stammen, die Elektroautos für Europa in China produzieren. Den mit knapp 500.000 größeren Rest würden demzufolge chinesische Hersteller ausmachen. Laut PwC haben die in der Heimat als dem größten Elektroauto-Markt der Welt Stärken aufgebaut und Erfahrung gesammelt und wollen das jetzt nutzen, um sich in Europa zu etablieren. Im Vergleich zu früheren Versuchen seien die Chancen dafür dieses Mal deutlich besser.
Auf Deutschland und den Rest Europas kommt also einiges zu – für Kunden ist mehr Auswahl durch Elektroautos chinesischer Hersteller erfreulich, deren Erfolg aus wirtschaftspolitischer Sicht aber vielleicht weniger. Schon seit einiger Zeit sind hierzulande chinesische Marken mit europäischer Vergangenheit wie MG oder Volvo zu haben. Noch für 2022 haben mehrere weitere wie BYD, Nio, Xpeng und Ora ihren Start mit Elektroautos in Deutschland angekündigt oder schon umgesetzt.
Tesla als Stütze für europäische Industrie
Als Stütze für die europäische Auto-Branche könnte sich in dieser Konstellation Tesla erweisen – auch wenn das Unternehmen sonst eher als Bedrohung für sie wahrgenommen wird. Seit einiger Zeit produziert es sogar die meisten seiner Elektroautos in China, doch auf längere Sicht sollen Produktion und Verkauf bei Tesla laut CEO Elon Musk möglichst auf demselben Kontinent liegen. Dazu passt, dass soeben eine geplante Erweiterung der deutschen Gigafactory auf möglicherweise 1,5 Millionen Elektroautos pro Jahr bekannt wurde.
Erst einmal aber musste das durch Tesla gestärkte Auto-Land Deutschland China bei den Exporten an sich vorbeiziehen lassen. In den ersten neun Monaten 2022 wurden von lokalen Unternehmen (also noch ohne Tesla und die Joint-Ventures anderer westlicher Hersteller) insgesamt gut 2,1 Millionen Autos exportiert, berichtete vor kurzem CarNewsChina – etwa 180.000 Einheiten mehr als aus Deutschland. Damit verlor die Bundesrepublik ihren zweiten Platz unter den Auto-Exporteuren weltweit hinter Japan. Ob sie ihn wiedergewinnen kann, dürfte stark von den Tesla-Aktivitäten in Grünheide im Vergleich zu denen in China abhängen.