Zum ersten Mal hat der deutsche TÜV-Verband in seiner jährlichen Statistik über Mängel-Quoten bei der Hauptuntersuchung Elektroautos als eigene Gruppe betrachtet – und das Ergebnis ist nicht erfreulich für Tesla und seine Kunden, jedenfalls wenn es um das Model 3 geht. Für bessere Stimmung könnten vor diesem Hintergrund Software-Verbesserungen bei Tesla sorgen, die für Europa allerdings nur teilweise nützlich sind. CEO Elon Musk blieb in der zurückliegenden Woche politisch und wurde so reich wie noch nie, deutete aber auch ein neues Familien-Elektroauto an – wie es von Hyundai mit dem Ioniq 9 kurz darauf konkret vorgestellt wurde. Die europäische Batterie-Hoffnung Northvolt musste Insolvenz anmelden.
Tesla Model 3 als TÜV-Schlusslicht
Unser eigenes Tesla Model X bestand die erste Hauptuntersuchung anstandslos und fuhr vor kurzem auch nach der zweiten vom Hof der Konkurrenz Dekra, ohne dass irgendein Mangel gefunden wurde. Damit passt es zu dem Ergebnis, das der TÜV am Donnerstag zu Elektroautos allgemein veröffentlichte: Diese würden im Vergleich zu anderen Fahrzeugen von sehr gut über durchschnittlich bis schlecht abschneiden. In die letzte Gruppe gehört allerdings das Model 3, das Anfang 2019 als erster Volumen-Tesla nach Europa kam: Seine Mängel-Quote lag nach drei wie fünf Jahren weit über dem Durchschnitt, sodass es in beiden Fällen Schlusslicht wurde.
Im Durchschnitt wird 6,4 Prozent der Autos in Deutschland bei der ersten Hauptuntersuchung nach drei Jahren die Prüfplakette wegen erheblicher Mängel verweigert, geht aus dem TÜV-Report 2025 hervor; nach fünf Jahren beträgt diese Quote 9,1 Prozent. Das Tesla Model 3 aber fiel beim ersten Besuch zu 14,2 Prozent durch, beim zweiten zu 19,7 Prozent, was jeweils die höchste Quote unter allen 111 berücksichtigten Modellen ist. Zwar ist seine Laufleistung weit überdurchschnittlich, doch der TÜV-Geschäftsführer ließ das nicht gelten: Sie könne über das schlechte Abschneiden des Model 3 nicht hinwegtäuschen, wird er zitiert.
Allgemein führt laut TÜV bei Elektroautos häufig das hohe Gewicht der Batterie zu Problemen mit der Achsaufhängung, und die Bremsen werden wegen elektrischer Rekuperation selten genutzt, sodass sie an Wirkung verlieren können. Beim Model 3 gebe es zudem besonders viele Beleuchtungsmängel, was für Defizite bei Service und Wartung spreche. Anders als andere Hersteller verlangt Tesla keine regelmäßigen Inspektionen, damit die Garantie erhalten bleibt. Bestes Modell der Gruppe wurde mit 3,4 Prozent Durchfallern nach drei Jahren der e-Golf, der damit zugleich die gesamte Kompakt-Klasse gewann, die modernen VW-Elektroautos ID.3 bis ID.5 waren etwas besser als der Durchschnitt.
FSD-Hoffnung macht Musk rekordreich
Noch bis zum 8. Dezember stellt Tesla in Berlin seit Freitag das Robotaxi Cybercab aus, das laut CEO Musk ab 2026 in hohem Volumen produziert werden soll. Von außen wie innen ist es noch schlichter gestaltet als selbst von Tesla gewohnt, und das eigentlich Entscheidende daran kann man sowieso nicht sehen: die Software, die dafür sorgen soll, dass dieses Elektroauto allein auf der Grundlage von Kamera-Bildern sicher autonom fahren kann. Tesla lässt in den USA seit vier Jahren eine zunächst als „Beta“ und jetzt als „supervised“ bezeichnete Version seiner „full self-driving“-Software FSD nutzen. Eine Autonomie-Zulassung hat das leistungsfähige Assistenz-System noch nicht, was sich laut Musk 2025 zunächst in den US-Bundesstaaten und Texas ändern soll.
Nachdem der Tesla-Chef jetzt offizieller Berater des designierten US-Präsidenten Trump und die beiden seit dem Wahlsieg unzertrennlich wirken, haben sich zudem die Chancen auf eine US-weite Regeln für eine FSD-Zulassung verbessert – was die Aktie am Freitag erneut kräftig steigen ließ und Musk laut Bloomberg mit rund 348 Milliarden Dollar insgesamt so reich machte wie nie zuvor. In Europa aber lässt der regulatorische Rahmen bislang nicht einmal überwachtes FSD zu und ist auch sonst strenger. Und das bekamen Kunden dort jetzt ein weiteres Mal zu spüren.
ASS für Europa, Boost für Model 3
Denn mit Version 2024.44.3 seiner Fahrzeug-Software führte Tesla in Europa per Funk-Update eine neue „Herbeirufen“-Funktion ein. Die gibt es als Teil der FSD-Option schon seit Jahren, wurde aber in Nordamerika erst vor kurzem als „Actually Smart Summon“ mit der neckischen Abkürzung ASS so verbessert, dass ein Elektroauto damit tatsächlich aus einiger Entfernung per App zum Fahrer beordert werden kann. Mit dem Update kommt ASS laut den Versionshinweisen nach Europa. Dort gilt aber weiterhin, dass man zum Starten maximal 6 Meter von seinem Tesla entfernt sein darf, sodass die Funktion keinen größeren Nutzen hat als der nicht als smart bezeichnete Vorgänger.
Von einer anderen Intelligenz-Verbesserung per Update können dagegen auch europäische Kunden profitieren: Vor kurzem wurde der Reise-Planer auf dem Fahrzeug-Bildschirm grundlegend überarbeitet, wie ein Tesla-Manager am Freitag auf X bestätigte. Nutzer hatten zuvor berichtet, dass die Schätzung für den Akku-Stand bei Ankunft treffsicherer geworden sei. Nach Angaben von Tesla wurde darüber hinaus die Prognose der Supercharger-Verfügbarkeit verbessert.
Wer will, kann dem neuen Model 3 Highland in der Allrad-Version jetzt zudem per Software-Upgrade mehr Leistung verschaffen. Zunächst in Asien führte Tesla dieses bezahlte Angebot Mitte der Woche ein, und der Rest der Welt dürfte folgen. In Europa verboten ist dergleichen offenbar nicht, denn schon für frühere Model 3 und Model Y bietet Tesla dort einen „Beschleunigungsboost“ für 1800 Euro an.
Musk deutet Tesla für Großfamilien an
Vor dem pedal- und lenkradlosen Robotaxi Cybercab mit unüberwachtem FSD voraussichtlich zuerst in den USA will Tesla ab dem ersten Halbjahr 2025 neue Elektroautos auf der technischen Basis von Model 3 und Model Y auf den Markt bringen, die zum Teil auch bezahlbarer sein sollen als heutige. Über die Frage, was damit konkret gemeint ist, wird intensiv gerätselt, seit diese Information erstmals im Bericht für Q1 2024 enthalten war. Als erstes könnte bald ein aufgefrischtes Model Y Juniper kommen, was aber nicht unbedingt der Formulierung „neue Modelle“ gerecht wird.
Wohl mit Blick auf die fernere Zukunft deutete Musk am Montag eine andere Ausweitung der Modell-Palette an. Gebraucht würden große Teslas für große Familien, um im Westen einen Lebensstil mit vielen Kindern zu unterstützen, schrieb eine Followerin aus Deutschland auf X. Darauf reagierte der CEO wenig später mit einem kurzen „Ok“, schien also zu bestätigen, dass Tesla diesen Wunsch erfüllen wird. Weitere Informationen dazu ließ Musk sich nicht entlocken, antwortete aber auch einem kinderreichen Rabbi, außer an dem fahrerlosen Robovan mit 20 Plätzen arbeite Tesla noch „an einigen anderen Sachen“.
Ok
— Elon Musk (@elonmusk) November 18, 2024
Seit kurzem wird das Tesla Model Y in Europa mit sieben Sitzen angeboten, aber selbst im größeren Model X wird es ganz hinten eng. So bleibt Raum für E-SUV mit mehr Platz. Nach der Konzern-Schwester Kia mit dem EV9 stellte jetzt Hyundai für 2025 den Ioniq 9 mit ebenfalls optional drei Sitzreihen und gut 5 Metern Länge, aber mehr Batterie-Kapazität und damit Reichweite vor. Laut Auto-Zeitung soll der Startpreis von rund 68.000 Euro trotzdem niedriger sein als bei Kia. Das Tesla Model X kostet derzeit ab knapp 100.000 Euro, hat allerdings stets Allrad-Antrieb und kommt auf 20-Zoll-Felgen nach WLTP mit 625 km trotz etwa 10 Prozent weniger Akku ungefähr so weit wie der Hyundai Ioniq 9 als Hecktriebler.
Batterie-Hoffnung Northvolt insolvent
Im deutschen Grünheide wurde unterdessen ein Camp geräumt und dann abgerissen, das Gegner der nahen Tesla-Fabrik in der brandenburgischen Gemeinde seit Monaten betrieben. Anlass dafür war, dass Teilnehmer sich der Aufforderung widersetzen, ihre Baumhäuser für eine Sprengmittel-Sondierung vorübergehend zu verlassen. Als Nebeneffekt ist vorerst mit weniger Störungen beim Ausbau der deutschen Gigafactory zu rechnen, mit dem Tesla es allerdings gar nicht mehr so eilig zu haben scheint. Denn die westlichen Elektroauto-Märkte schwächeln – sodass zum Beispiel Ford und Volkswagen tausende Stellen streichen wollen. Und die wohl größte europäische Batterie-Hoffnung ist jetzt vorerst gescheitert.
Unter der Überschrift „Northvolt ergreift bedeutende Maßnahmen, um einheimische Plattform für Batterie-Produktion zu unterstützen und zu verbessern“, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit, dass es in die Insolvenz nach US-Recht geht. Das ermöglicht eine Restrukturierung und Neufinanzierung, aber der Northvolt-CEO und -Mitgründer, ein früherer Tesla-Manager, trat zurück und räumte Fehler ein. In Frage steht jetzt unter anderem eine geplante Fabrik im norddeutschen Heide – und nach Ansicht mancher Beobachter zudem die Zukunft von ganz Europa als Standort für Hersteller von Batterien, die für Elektroautos und stationäre Speicher in immer größeren Massen gebraucht werden.