Laut einem Bericht von Reuters verhandelt Tesla mit dem Batterie-Hersteller CATL über die Belieferung mit Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LFP) für das in China produzierte Tesla Model 3. LFP-Zellen haben eine etwas geringere Energiedichte als die sonst bei Tesla üblichen NCA-Zellen, sind aber billiger, einfacher zu Akkupacks zu integrieren und kommen ohne seltene Mineralien aus. Sie sind also bestens geeignet, um die Kosten des Tesla Model 3 Standard Range plus (SR+) zu senken und gleichzeitig noch ausreichend Reichweite zu bieten.
Aktualisierung: Die Rohstoff-Marktforschungsfirma Benchmark Minerals bestätigt ohne Angabe von Quellen, dass Tesla LFP-Zellen von CATL für das Model 3 aus China verwenden will. Diese werden laut Benchmark zudem ein prismatisches Format haben, also nicht mehr rund sein wie bislang alle von Tesla verbauten Zellen, und sollen speziell auf die Anforderungen von Tesla ausgelegt sein. Laut Benchmark wird LFP nur für das chinesische Model 3 mit Standard-Reichweite verwendet, die China-Variante mit größerem Akku werde mit NCM-Zellen von LG Chem bestückt.
LFP & Prismatic Cells at Core of Tesla's China Strategy | #Model3 #China #EV #Lithiumion #cathode https://t.co/xNr0cS2qYH
— Benchmark Mineral Intelligence (@benchmarkmin) February 19, 2020
Bei allen Zellchemien für Lithium-Ionen-Batterien gibt es stetige Verbesserungen hinsichtlich Energiedichte sowie Kosten. Wegen ihrer höheren Energiedichte werden für Elektroautos, bei denen es auf das Gewicht ankommt, bislang jedoch meist Zellen mit Nickel-Kobalt-Mangan (NCM) oder Nickel-Kobalt-Aluminium (NCA) verwendet.
Etwas weniger energiedichte Eisenphosphat-Kathoden (LFP) dagegen sind gut geeignet für elektrische Busse und andere schwere Fahrzeuge mit mäßigen Reichweite-Anforderungen, aber intensiver Nutzung – ihr Marktanteil liegt hier bei mehr als 90 Prozent. LFP kann typischerweise mit mehr Leistung ge- und entladen werden als die NCM- und NCA-Varianten (die wir hier als NCx bezeichnen), und sie vertragen mehr Zyklen, bevor die Degradation zuschlägt, was eine längere Lebensdauer etwa in Bussen verspricht.
Durch anhaltende Fortschritte bei der Chemie erreichen LFP-Zellen allmählich Energiedichten (bei Gewicht wie Volumen), die auch für Personen-Elektroautos ausreichende Reichweite ermöglichen. Dies gilt besonders, wenn die Autos Energie so effizient einsetzen wie das Tesla Model 3 SR+, das laut EPA eine Reichweite von 250 Meilen hat.
Ein Akkupack aus LFP-Zellen mit etwa 55 Kilowattstunden für das SR+ könnte 40-60 Kilogramm mehr wiegen (10-15 Prozent) als die NCA-Version. Doch das macht nur etwa 3 Prozent des Fahrzeug-Gesamtgewichts aus, das dann immer noch niedriger wäre als bei den Varianten des Model 3 mit maximaler Reichweite. Das geringe Zusatzgewicht lässt sich zudem leicht ausgleichen durch 1 oder 2 Kilowattstunden mehr Akku-Kapazität. Um die Beschleunigung gleich zu halten, könnte zudem die Leistung des Motors leicht erhöht werden.
Die höhere Energiedichte von Zellen mit NCx-Chemie bedeutet, dass sie bei Elektroautos, deren Reichweite eher bei 300 Meilen (oder mehr) liegen soll, noch Vorteile bieten. Die Tesla-Elektroautos mit maximaler Reichweite werden deshalb auf absehbare Zeit auch weiterhin diese und neu kommende Chemien mit hoher Energiedichte nutzen.
Doch bei Elektroautos, bei denen keine extremen Energiedichten gebraucht werden, hat LFP Vorteile. Dies sind lange Lebensdauer, hohe Ladeleistung, und vielleicht am wichtigsten: niedrige Kosten und kein Risiko für Lieferengpässe bei Mineralien, weder jetzt noch in Zukunft.
Die für NCx-Akkus erforderliche Kobalt-Lieferkette ist bekannt für ihre Komplexität. Kommerziell ausbeutbare Kobalt-Vorkommen sind weltweit selten, und einige der am besten geeigneten befinden sich in der Demokratischen Republik Kongo (DRC), aus der ungefähr zwei Drittel des weltweiten Kobalt-Volumens stammen. Der Großteil davon wird zwar mit modernen Methoden abgebaut, aber bis zu 20 Prozent des Volumens stammte 2016 aus „Handarbeit-Minen“, in denen es oft Kinderarbeit und unsichere Arbeitsbedingungen gibt. Mit dieser Art von Rohstoff-Abbau zu tun zu haben, bedeutet offensichtlich Reputationsrisiken für Autohersteller (wie auch für andere Branchen, die Batterien verwenden). Das gilt selbst für diejenigen, die sich wie Tesla darauf verpflichtet haben, kein Kobalt aus dieser Region und anderen problematischen zu beziehen. Zudem ist es nicht immer möglich, Quellen von Lieferungen zu 100 Prozent nachzuvollziehen. Dadurch sind Tesla und andere Hersteller zu Recht unter Druck geraten, den Kobalt-Gehalt ihrer Zellen zu verringern.
Tesla ist in seinen Bemühungen um weniger Kobalt schon weit gekommen. In der neuesten Generation von NCM-811-Kathoden sind rund 10 Prozent Kobalt enthalten, bei den NCA-Kathoden von Tesla noch weniger. Im Juni 2018 sprach CEO Elon Musk davon, weniger als 3 Prozent erreicht zu haben, und kündigte an, auf dem Weg zu 0 Prozent zu sein; mittlerweile dürfte der Anteil zumindest deutlich unter 3 Prozent liegen. Ein Umstieg auf LFP-Zellen ganz ohne Kobalt bei einem der Tesla-Produkte mit dem höchsten Volumen (Model 3 SR+ aus der Gigafactory in China) wäre in dieser Hinsicht offensichtlich ein großer Erfolg.
We use less than 3% cobalt in our batteries & will use none in next gen
— Elon Musk (@elonmusk) June 13, 2018
Auch Volkswagen hat erkennen lassen, dass es für seine hochvolumigen Elektroautos in China LFP-Zellen mit der neuesten Chemie nutzen will. Auch beim ID.3 mit Standard-Reichweite und weiteren VW-Elektroautos für USA und Europa könnte dies der Fall sein. Die Elektro-Volkswagen mit den höchsten Reichweiten (die in Europa und China nicht das höchste Volumen erreichen dürften) werden aus den oben genannten Gründen vermutlich noch NCx-Chemien erfordern.
Ein weiterer Vorteil von LFP-Zellen ist, dass sie kein Nickel brauchen. Zwar macht der Bedarf für Elektroautos hier nur etwa 6 Prozent des global verfügbaren Volumens in hoher Qualität aus. Doch wenn sich ihr Marktanteil von 2,5 Prozent auf 25 Prozent erhöht, würde offensichtlich deutlich mehr Nickel gebraucht, wenn es bei NCx-Chemie bleibt.
LFP-Kathoden bestehen aus Eisen, Phosphat, Sauerstoff und manchmal Mangan. Weitere wichtige Zell-Materialien sind Lithiumsalze, Polymer-Separatoren, Graphit-Anoden, Kupfer und Aluminium für Kontakte und Aluminium für Gehäuse. All das steht grundsätzlich bereits reichlich zur Verfügung – relativ zum aktuellen und zukünftigen Bedarf für Elektroautos werden hohe Volumina abgebaut oder synthetisiert. Der Lithium-Abbau wird mit der wachsenden Elektroauto-Nachfrage mithalten müssen, doch dieser Rohstoff macht nur einen kleinen Gewichtsanteil jeder Zelle aus. Die Grenze bildet hier Lithium in Meerwasser: Es könnte zu Kosten extrahiert werden, die für Elektroautos immer noch bezahlbar sind, selbst wenn konventionelle Quellen langsamer erschlossen werden als erwartet oder es andere wirtschaftliche oder politische Probleme damit gibt.
Kurz gesagt: Es gibt eine große Vielfalt von möglichen Mineral-Chemien zur Speicherung von elektrischer Energie, von denen manche schon länger genutzt werden und derzeit kommerziell sinnvoller sind als andere. NCx-Chemien weisen für Elektroautos mit hoher Reichweite und Leistung derzeit noch die beste Mischung aus Kosten und Energiedichte auf. Doch LFP-Chemien erreichen allmählich Energiedichten, die für mittlere Reichweiten genügen und zusätzlich zu niedrigeren Kosten weitere eigene Stärken haben (Ladeleistung. Langlebigkeit, Sicherheit). Außerdem gibt es für sie im Grunde keine der Mineral-Einschränkungen, mit denen NCx-Chemie teils zu tun hat.
Die Vielzahl von denkbaren Mineral-Lieferketten für Elektroauto-Akkus bedeutet, dass der Markt grundlegend diversifiziert ist und – langfristig – kein Risiko besteht, dass er von möglichen Problemen mit einzelnen Rohstoffen umfassend gestört wird. Allein das verringert die Wahrscheinlichkeit, dass eines der Mineralien „kritisch“ wird, denn es würde ersetzt, bevor das Angebot zu knapp ist. Wenn die gemeldete Zusammenarbeit zwischen Tesla und CATL bei LFP-Zellen zusätzlich zu NCx zustande kommt, profitieren beide Seiten von mehr Diversifizierung, leichter verfügbaren Rohstoffen und verringerten Risiken.
Im Dezember 2019 hat sich gezeigt, dass mehrere chinesische Zellhersteller ihre LFP-Technologie weiterentwickelt haben. Zu den größten Playern zählen hier CATL, Guoxuan, Lishen, EVE, BYD und BAIC. Guoxuan hat bereits 2019 LFP-Zellen mit einer Energiedichte von 190 Wattstunden pro Kilogramm produziert und arbeitet jetzt an 200 Wh/kg.
#Guoxuan to develop 200 Wh/kg #LFP #cell by 2021 latest, company said.
Guoxuan already installed 190 Wh/kg LFP cells on >400 km range vehicles, company added. pic.twitter.com/vJtYEPQjKS— Moneyball (@DKurac) December 15, 2019
Ein weiteres Stichwort in diesem Zusammenhang ist „cell to pack“-Technologie als innovativer Ansatz für Akkupaket-Designs, bei denen die Stärken von LFP-Zellen optimal genutzt werden. Diese Zellen sind üblicherweise weniger hitzeempfindlich als NCx-Zellen und neigen weniger zum thermischen Durchgehen. Dadurch benötigen sie potenziell weniger Gewicht und Volumen für Kühlung und Verpackung. Die Energiedichte von LFP-Zellen selbst mag also nur 66 Prozent der besten NCx-Zellen betragen, aber im fertigen Akkupaket kann diese Lücke kleiner werden. 70 bis 80 Prozent der Energiedichte von NCx-Paketen erscheinen mit LFP möglich.
Für viele Elektroautos mittlerer Reichweite ist das potenziell mehr als genug – und zugleich nimmt dadurch der Kostenvorteil von LFP auf Paket-Ebene weiter zu, worauf es letztlich ankommt. LFP-Pakete von CATL sind laut Autohome pro Kilowattstunde schon heute mehr als 20 Prozent günstiger als Pakete mit NCM 811.
Wir wissen, dass Tesla für seine zylindrischen NCA-Zellen einen eigenen Ansatz für die Produktion von Akku-Paketen hat, also wird interessant sein, wie das Unternehmen mit LFP-Zellen von CATL umgeht. Viel wird davon abhängen, ob diese Zellen ebenfalls zylindrisch sind oder vielleicht das Pouch-Format bekommen. Im zweiten Fall könnte Tesla CATL einen Teil der Technologie zur Produktion von Paketen überlassen oder mit dem chinesischen Unternehmen kooperieren.
Wird es in manchen der Elektroautos von Tesla mit Standard-Reichweite tatsächlich LFP-Batterien geben? Wird das nur in China der Fall sein oder auch auf anderen Märkten, auf denen das Model 3 SR+ gefragt ist? Wird auch beim Model Y SR+ und bei zukünftigen bezahlbareren Teslas dieser Weg eingeschlagen?
In meinen Augen ist der flexible Ansatz sinnvoll für Tesla. Solange Mindestparameter für Energiedichte (also Reichweite), Ladeleistung, Langlebigkeit und Stabilität erfüllt sind, ist das entscheidende Kriterium der Preis pro Kilowattstunde Kapazität. Innerhalb dieses Rahmens ist Tesla nicht dogmatisch, was seine Technologien angeht, und arbeitet schon heute mit unterschiedlichen Zell-Lieferanten und -Formaten. LFP könnte NCx bei den Kosten schlicht deshalb überlegen sein, weil die Mineralien dafür leichter verfügbar sind und ihre Lieferketten quasi immun gegen Engpässe und Preissteigerungen. Wenn die Elektroauto-Nachfrage in den kommenden Jahren rasch zunimmt, könnte dies deutlicher erkennbar werden.
Irgendwann in den nächsten Monaten wird Tesla bei einem Anlegertag zu Batterien und Antrieben über seine Akku-Pläne informieren. In der Zwischenzeit lassen Sie uns gern in den Kommentaren wissen, was Sie darüber denken.
(Dieser Artikel ist, mit Ausnahme der Aktualisierung am Anfang, die Übersetzung eines Beitrags, der am 18.2.2020 auf cleantechnica.com erschienen ist. Wir bedanken uns für die freundliche Genehmigung)