Die Deutschland-Reise von Tesla-CEO Elon Musk Anfang September war so etwas wie ein verfrühter Triumph-Zug: Wo er auch hinkam, wurde Musk sowohl von hohen Amtsträgern erwartet als auch von Fans bejubelt. Rund eine Woche später folgte eine Supercharger-Eröffnung in Berlin, bei der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Tesla wegen seiner entstehenden Gigafactory ganz in der Nähe zur „deutschen Marke“ werden sah und ein Vertreter des Unternehmens erklärte, allmählich fühle sich das ganze Team dort als Berliner. Jetzt aber bekommt es Tesla mit einem anderen sehr deutschen Thema zu tun: Datenschutz.
Tesla-Fahrer zeigt seine Kameras
Vermutlich nicht aufeinander abgestimmt, stellte in dieser Woche zunächst das ARD-Magazin Kontraste die Frage, ob Tesla „systematisch gegen Datenschutz-Regeln“ verstoße, und dann erhielt Musks Unternehmen den Big Brother Award in der Kategorie Mobilität, vergeben vom Bielefelder Verein Digitalcourage. Tesla überwache mit den vielen Kameras und Sensoren Fahrer wie Umfeld seiner Elektroautos und mache mit diesen Daten im Grunde, was es wolle, wurde in beiden Fällen kritisiert.
Kontraste befragte für seinen Beitrag einen Tesla-Fahrer, der bereitwillig die Kameras an seinem Model 3 demonstrierte. Der Sprecher kennt außerdem den Dashcam-Modus und erklärt, damit würden Teslas „Kennzeichen, Personen und Gesichter“ im Umfeld aufzeichnen, ob man das wolle oder nicht, was in Deutschland aber nicht erlaubt sei. Zum Beleg wird der Datenschutz-Beauftragte von Baden-Württemberg zitiert, der allerdings nur sagt, ein Verstoß gegen deutsches Recht liege vor, wenn „ständig“ das Geschehen im öffentlichen Verkehr aufgezeichnet werde.
Dass dem bei Tesla nicht so ist, wird nicht erwähnt. Dabei hätte der Besitzer des Model 3 dem TV-Team gewiss sagen können, dass die Tesla-Dashcam erst per Hupe oder Touch-Befehl dazu gebracht werden muss, die letzten zehn Minuten Video nicht gleich wieder zu überschreiben. Das dürften genau die konkreten Einzelfälle sein, bei denen laut dem Datenschützer eine Aufzeichnung erlaubt ist. Ähnlich ungenau ist Kontraste mit Blick auf den Wächter-Modus bei Tesla – der mag nicht perfekt funktionieren, zeichnet aber ebenfalls nicht die ganze Zeit und ohne Anlass auf.
Wie sich in dem TV-Beitrag zeigt, war das Kontraste-Team für eine kurze Störung der harmonischen Jubel-Stimmung während Musks Deutschland-Auftritten verantwortlich. Als der Tesla-Chef in Berlin als Gast einer Klausur der Unionsfraktion eintraf, hielt ihm der Reporter entgegen, die Kameras in seinen Elektroautos würden Videos live auf Server in den USA streamen – ob das nicht Probleme mit dem deutschen Datenschutz bereite? „Nein, die streamen nicht, das stimmt nicht“, antwortete der Tesla-Chef lachend, aber wohl etwas ungehalten.
„Tesla ein Fall für die Behörden“
Schriftlich habe Tesla erklärt, die Datenschutz-Grundverordnung werde eingehalten, weil übertragene Daten keinen einzelnen Fahrzeugen mehr zugeordnet werden können, berichtet Kontraste dazu noch. Von den in der Titel-Frage beschworenen Verstößen bleibt damit eigentlich nichts übrig. Dennoch geriet Tesla am Freitag dann zum zweiten Mal in dieser Woche ins Visier deutscher Datenschutz-Mahner und wurde mit dem Negativ-Preis Big Brother Award ausgezeichnet.
Tesla verkaufe Autos, „die ihre Insassen und die Umgebung permanent überwachen“, erklärt der Laudator und frühere Datenschutz-Beauftragte Thilo Weichert. Konkreter und zutreffender als Kontraste zitiert er aus den AGB von Tesla, in denen zwar nicht von Video-Streaming in die USA zu lesen ist, aber tatsächlich von Daten aller Art, die auf unterschiedlichen Wegen erfasst und übermittelt werden können. Dem könne man widersprechen, riskiert dann aber laut Tesla Probleme bis hin zu „ernsthaften Schäden“.
Auch aufgrund des Wächter- oder Sentry-Modus seien Elektroautos von Tesla in Deutschland nicht mit Datenschutz-Vorschriften vereinbar, behauptet Weichert, und somit sogar „unzulässig“. Tesla sei deshalb eindeutig ein Fall für die zuständigen Behörden, die allerdings chronisch überfordert seien.