Mit dem ID.3, dem im September auf den Markt gebrachten ersten Elektroauto auf der speziellen MEB-Plattform, und dem schon länger erhältlichen e-tron der Marke Audi feierte der Volkswagen-Konzern im vergangenen Jahr Erfolge. So setzte sich der VW ID.3 im Dezember 2020 klar an die Spitze der deutschen Elektroauto-Zulassungen vor Renault Zoe und Model 3. In ganz Europa und im ganzen Jahr kam er trotz der kurzen Verkaufszeit auf Platz 3 hinter diesen Modellen von Renault und Tesla, und der Audi e-tron war trotz seines relativ hohen Preises das Elektroauto mit den fünfthöchsten Neuzulassungen, weit vor dem grob vergleichbaren Model X. Doch Recherchen der Umwelt-Organisation Greenpeace zeigen jetzt, dass diese Zahlen mit einem ungewöhnlich hohen Anteil von Eigenzulassungen erreicht wurden.
VW-Endspurt wie sonst bei Tesla
Vor allem mit dem ID.3 hatte VW einen Dezember-Endspurt wie sonst nur Tesla auf seinen Übersee-Märkten hingelegt, obwohl das Elektroauto in Europa entsteht und schon Monate vor dem Start der Auslieferungen wegen Software-Problemen auf Halde produziert wurde. Damit lag der Verdacht nahe, dass der Hersteller mit Zulassungen auf sich selbst und seine Händler nachgeholfen hat, um seine Flotten-Emissionen für 2020 noch zu drücken.
Dank hoher Beschäftigten-Zahlen mit Firmenwagen und großer Netze rechtlich eigenständiger Händler haben die etablierten Hersteller dazu mehr Möglichkeiten als Tesla. Zu den so genannten „taktischen“ Eigenzulassungen zählen laut Greenpeace diese beiden Kanäle. Etwas strenger könnte man auch Zulassungen bei großen Auto-Vermietern dazunehmen, die (ebenfalls anders als bei Tesla) oft eng mit den Herstellern verbunden und gegen entsprechende Rabatte bereit sind, hohe Stückzahlen unterstützungsbedürftiger Modelle abzunehmen.
Und nach den am Freitag veröffentlichten Greenpeace-Recherchen machte 2020 von diesen Möglichkeiten bei Elektroautos und Plugin-Hybriden (auch diese senken die CO2-Bilanz überproportional) wohl kein Hersteller so intensiv Gebrauch wie Volkswagen. Das gilt vor allem für den elektrischen Hoffnungsträger ID.3 und den umgebauten Verbrenner e-tron der Tochter Audi in Deutschland: Beim VW ID.3 lag der Anteil der Eigenzulassungen in 2020 laut Greenpeace bei 35 Prozent, zusammen mit dem Vermieter-Kanal waren es sogar 48,7 Prozent. Der Audi e-tron wurde allein zu rund 47,5 Prozent auf den Hersteller selbst und seine Händler zugelassen; nimmt man die Vermietungen hinzu, betrug der taktische Anteil 60,2 Prozent. Beim Porsche Taycan sah es mit 46,5 Prozent und 47,5 Prozent nicht viel besser aus.
Elektroautos sparten 140 Mio. Euro CO2-Strafe
Mit „taktischen Zulassungen im großen Stil“ habe Volkswagen vor allem zum Jahresende 2020 auch europaweit den eigenen CO2-Flottenwert gedrückt und so Strafzahlungen an die EU in Höhe von 140 Millionen Euro vermieden, schreibt Greenpeace. Auf dem ganzen Kontinent habe der Hersteller- und Händler-Anteil des Konzerns bei Elektroautos im Dezember 28,8 Prozent betragen, knapp doppelt so viel wie bei seinen Autos ohne Ladebuchse. Auch im Vergleich zu anderen etablierten Herstellern fiel Volkswagen laut Greenpeace mit besonders vielen taktischen Zulassungen auf.
Diese Informationen lassen auch eine triumphal-provozierende Nachrichte des VW-Konzernchefs Herbert Diess in einem anderen Licht erscheinen: Mit der Aussage, er sei gekommen, um Tesla-CEO Elon Musk Marktanteile abzunehmen, wagte sich Diess Mitte Januar in das für ihn neue Sozialmedium Twitter. Schließlich hätten ID.3 und e-tron schon „die ersten Märkte in Europa gewonnen“. Die meisten Beobachter nehmen Diess ab, dass er VW wirklich auf einen Elektroauto- und Digital-Kurs nach Tesla-Art bringen möchte. Aber zumindest im vergangenen Jahr ist er damit ohne alte Tricks offenbar noch nicht weit gekommen.