Mit einem Model S oder Model X muss man auf Langstrecken eigentlich nicht mit Karten oder Apps für fremde Ladestationen hantieren. Tesla betreibt ein gut ausgebautes (wenn auch neuerdings bisweilen stark ausgelastetes) Supercharger-Netz, an dem man ohne händische Autorisierung und bei den beiden Premium-Teslas sogar kostenlos rasch Strom für die Weiterfahrt bekommt. Eine Alternative vor allem für Model 3 war bis Februar Ionity, wo man für nur 8 Euro und sogar schneller als bei Tesla beliebig viel Strom bekommen konnte, und auch danach gab es noch Ladekarten für dieses Netz mit vertretbaren Konditionen. Doch auch damit schien es nun vorbei zu sein – und teslamag.de wollte die Gelegenheit nutzen, ein letztes Mal unser Model X bezahlbar bei Ionity zu laden.
CCS bei Tesla seit einem Jahr möglich
Grundsätzlich ist das möglich, weil Tesla seit Frühjahr 2019 auch Model S und Model X mit einem Adapter ausliefert, der Laden an CCS-Stationen wie denen von Ionity ermöglicht; ältere Exemplare können dafür nachgerüstet werden, das Model 3 ist in Europa von Haus aus mit CCS-Buchse ausgestattet. Allerdings klappt die Übersetzung zwischen Tesla- und CCS-Standard nicht immer reibungslos. So scheiterte ein früherer Versuch von teslamag.de, mit dem Model X im neuen Ladepark von Porsche in Leipzig zu laden.
Anders als ein Porsche-Mitarbeiter bei dieser Gelegenheit andeutete, haben aber nicht alle Ionity-Säulen Probleme mit Elektroautos von Tesla. Also erfolgte die Anfahrt zum Rasthof Lutterberg mit einer gewissen Zuversicht – zumal an diesem Standort jetzt nicht nur CCS-Stationen stehen, sondern auch 16 Tesla-Supercharger.
Doch noch günstige Ionity-Option für Tesla
Als Ionity seine neue Preispolitik ab Anfang Februar verkündete, war die Aufregung vor allem unter Tesla-Fahrern groß: Seitdem kostet eine Kilowattstunde schnelles Laden bei dem mit Subventionen aufgebauten Netz der deutschen Autohersteller für Fremdmarken volle 79 Cent. Zunächst gab es noch einige Ladekarten, mit denen man auch mit Tesla diese Preise unterlaufen konnte. Dann aber meldete EnBW, wegen der neuen Preise nicht mehr mit Ionity zu kooperieren, was auch bedeuten dürfte, dass die auf dem EnBW-Netz basierende ADAC-Karte wegfällt. Immerhin dementierte mit Maingau Energie der dritte Anbieter einer günstigen bundesweiten Lösung am Abend des 31. März Meldungen, auch er werde Anfang April Schluss mit Ionity machen.
Insofern war die teslamag-Abschiedsfahrt zu Ionity/Tesla in Lutterberg am letzten März-Tag wohl voreilig – aber ein wenig CCS-Praxis kann ja nie schaden. Authentifizierung und Adapter bedeuten, dass der Vorgang weitaus komplizierter ist als am Supercharger. Nach der vorsorglichen Desinfizierung von Stecker und Bedien-Knöpfen scheiterte zunächst die Freischaltung per Maingau-Ladekarte. Mit der App gelang sie, aber vorher musste das Ladekabel samt Adapter erst wieder aus der Buchse am Tesla heraus und das Ionity-Kabel zurück in seine Halterung hinein. Insgesamt ist das abwechselnde Hantieren mit dickem CCS-Kabel, Adapter, Tesla-Fob zum Öffnen der Ladeklappe und Telefon zur Authentifizierung nicht einfach.
Ionity zeigt mehr Leistung als Tesla
Das Laden selbst funktionierte aber wie erwartet gut, wenn auch nicht ganz so schnell wie erhofft. Bis zu 142 Kilowatt Ladeleistung zeigte der Ionity-Bildschirm an, ein paar Kilowatt mehr als an den bisherigen Tesla-Superchargern (die Generation V3, deren Ausbau in Europa begonnen hat, wird schneller). Jedoch stellte sich heraus, dass Ionity die Leistung ohne Verluste angibt. Das Display im Tesla dagegen berücksichtigt diese und zeigte immer ein paar Kilowatt weniger an. In Wirklichkeit wurde die an Superchargern bei diesem Model X beobachtete schnellste Netto-Ladeleistung von 139 Kilowatt also nicht übertroffen.
Allerdings wurden die 142 Kilowatt (minus etwa 5 Kilowatt Verlust, die Differenz schwankte) erst bei einem relativ hohen Ladestand von 40 Prozent erreicht, bei dem die Akkus von Tesla nicht mehr die maximale Aufnahmefähigkeit haben. Möglicherweise war der Akku des Model X deshalb anfangs schlicht zu kalt für Rekordwerte. Wie schnell er bei Idealbedingungen lädt, wird sich deshalb wohl erst bei einem Test am ersten deutschen V3-Supercharger herausstellen, der derzeit in Hilden aufgebaut wird – oder natürlich, nachdem sich die Meldung von der letzten Chance im März als falsch erwies, doch bei einem weiteren Ionity-Versuch.