An 51 Sonntagen haben wir in 2024 über die jeweils vergangene Tesla-Woche und zwischendurch über weitere wichtige Entwicklungen berichtet, jetzt ist es Zeit, auf das ganze Jahr zurückzublicken. Wie nicht anders zu erwarten, war es ereignisreich – aber weniger mit Blick auf das Elektroauto-Geschäft, das eher enttäuschend verlief. Tesla-CEO Elon Musk ging ein großes Risiko ein, indem er sich hinter die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten stellte. Finanziell gesehen zahlte sich dieser Einsatz tausendfach aus. Denn der Sieg des Republikaners im November ließ die Tesla-Aktie und damit das Vermögen von Musk sprunghaft steigen, nicht zuletzt, weil er schnellere Erfolge beim vom CEO lange vorhergesagten autonomen Fahren verspricht.
Tesla-Start mit vorsichtiger Prognose
Zu Beginn des Jahres gingen Analysten im Durchschnitt noch davon aus, dass Tesla seine Elektroauto-Verkäufe in 2024 deutlich steigern würde. Nach gut 1,8 Millionen in 2023 erwarteten sie rund 2,2 Millionen Auslieferungen, also gut 20 Prozent mehr. Schon das hätte allerdings spürbar weniger Zunahme als zuvor bedeutet, und Ende Januar drückte Tesla selbst die Erwartungen noch weiter: Im ganzen Jahr könne das Wachstum deutlich geringer ausfallen als 2023, hieß es im Finanzbericht für das vierte Quartal.
Die Aktie befand sich zu dieser Zeit in einem Abwärtstrend seit etwa Mitte 2023, der durch die vorsichtige Prognose noch verstärkt wurde. So ging es zunächst weiter, zumal die Elektroauto-Verkäufe von Tesla im ersten Quartal 2024 sogar deutlich sanken. Weiteren Druck auf den Kurs übte dann ein Bericht der Nachrichten-Agentur Reuters aus, laut dem ein für Ende 2025 geplantes Tesla-Elektroauto der nächsten Generation gestoppt wurde. CEO Musk stellte das ohne nähere Angaben als gelogen dar und unterstützte die Aktie mit der Ankündigung einer Robotaxi-Vorstellung im August.
Letztlich fand diese Veranstaltung erst im Oktober statt – bei einer Party auf privatem Gelände in Los Angeles ließ Tesla Prototypen eines rein autonom konzipierten Zweisitzers namens Cybercab (s. Foto oben) fahren, der nach späteren Musk-Angaben 2026 in Serie produziert werden soll. Die Aktie wechselte aber schon Ende April nachhaltig die Richtung. Den Ausschlag dafür gab zunächst der Finanzbericht für das erste Quartal 2024.
April: Neue Elektroautos angekündigt
Überraschend kündigte Tesla darin neue Fahrzeuge vor der zweiten Jahreshälfte 2025 an, also früher, als vorher das offenbar doch abgesagte Elektroauto der nächsten Generation kommen sollte. Dafür war eine revolutionäre neue Produktionsweise vorgesehen, die jetzt stattdessen zuerst und offenbar vorerst exklusiv bei dem Robotaxi Cybercab ab 2026 zum Einsatz kommen soll. Die noch namenlosen neuen Elektroautos für menschliche Fahrer beginnend vor Mitte 2025 dagegen basieren laut Tesla auf der Plattform von Model 3 und Model Y, weshalb sie auf bestehenden Linien produziert werden können. Bestimmte Elemente der neuen Generation sollen sie trotzdem nutzen.
Eher enttäuschend fiel dann wieder der Bericht für das zweite Quartal 2024 aus. Zur Verstörung mancher Anleger erklärte CEO Musk in der Telefon-Konferenz zudem, das Elektroauto-Geschäft von Tesla sei relativ gesehen nichts als „Rauschen“, also völlig unbedeutend. Der eigentliche Wert des Unternehmens liege in Autonomie, worunter Musk nach Aussagen von der Hauptversammlung von Computern gesteuerte Fahrzeuge und humanoide Roboter versteht. Beides zusammen soll für einen Börsenwert von 30 Billionen Dollar gut sein, also ein Vielfaches von dem, was sich mit Elektroautos erreichen ließe. Wer nicht glaube, dass Tesla Autonomie lösen könne, sollte keine Aktien des Unternehmens haben, sagte Musk Ende Juli deutlicher als je zuvor.
Tesla-Chef Musk macht Politik
An der Börse stieß das zunächst noch auf Skepsis. Die Tesla-Aktie hielt sich zwar über dem Ende April erreichten Niveau von 200 Dollar, konnte aber nicht entscheidend zulegen, und der Q2-Bericht sorgte zusammen mit den Musk-Aussagen für einen Rücksetzer.
Neue Modelle brachte Tesla im Jahr 2024 nicht auf den Markt, aber neue Varianten bekannter Elektroautos. Im April kam die Performance-Version des im Herbst 2023 aufgefrischten Model 3, auf die im Oktober die Wiedereinführung auch der Variante mit großem Akku und Heckantrieb und damit der höchsten Reichweite folgte. Das Model Y gab es schon ab April in dieser Ausführung, und seit Oktober wird es in Europa auch als Siebensitzer angeboten.
Der zunehmende Einsatz des Tesla-Chefs für Trump als Präsident ab Mitte des Jahres wurde zunächst kritisch gesehen, weil Musk sich und das Unternehmen damit bei einer möglichen US-Regierung unter Demokraten-Führung unbeliebt zu machen drohte. Die große Robotaxi-Vorstellung Anfang Oktober wurde mangels Details ebenfalls eher ernüchtert aufgenommen. Ab Ende des Monats folgten jedoch positive Nachrichten sowohl zum Elektroauto-Geschäft als auch zur autonomen Zukunft, und bis Ende des Jahres kannte die Tesla-Aktie fast kein Halten mehr.
Gute Tesla-Nachrichten ab Oktober
Zunächst verzeichnete sie am Tag nach der Bekanntgabe der Q3-Geschäftszahlen mit 22 Prozent das zweitgrößte Tagesplus ihrer Geschichte. Denn nicht nur übertraf Tesla in dem Quartal erstmals in 2024 deutlich die Analysten-Erwartungen. Das Unternehmen sagte auch zumindest leichtes Wachstum bei den Elektroauto-Verkäufen im Gesamtjahr und Musk zudem 20-30 Prozent weitere Zunahme im nächsten Jahr voraus. Zusätzlich gab es eine konkrete Prognose zu autonomen Fahren mit der Tesla-Software FSD: Der CEO und sein Autopilot-Direktor erklärten, nach internen Prognosen werde sie im zweiten Quartal 2025 bis zu einer kritischen Intervention weiter kommen als ein Mensch am Steuer.
Ähnliche Prognosen hatte Musk schon für viele Jahre zuvor abgegeben, aber tatsächlich schreitet die FSD-Entwicklung voran – und mit dem Trump-Sieg Anfang November stiegen die Chancen dafür deutlich, dass Tesla rascher die für autonome Autos nötige Zulassung erhält. US-weite Regeln dafür werden laut Berichten vom Team des designierten Präsidenten bereits vorbereitet. Auch sonst erweist sich Musk seit der Wahl als zunehmend einflussreich, nicht nur als Co-Chef einer Kommission für mehr staatlicher Effizienz. Musk soll bei vielen Personal-Entscheidungen Trumps für die neue Amtszeit beteiligt gewesen sein.
Autonomie-Hoffnung treibt Tesla-Aktie
Die absehbare Streichung der 7500 Dollar Steuer-Gutschrift für Elektroauto-Käufer in den USA konnte er offenbar nicht verhindern – doch die betrifft nur den nach Musks Darstellung relativ unbedeutenden Teil des Tesla-Geschäfts. Der fortgesetzte Anstieg der Aktie trieb den Kurs im Dezember mehrfach auf neue Allzeit-Rekorde und den Wert des ganzen Unternehmens zeitweise auf mehr als 1,5 Billionen Dollar, mehr als doppelt so viel wie noch Ende Oktober. Parallel zum verbesserten politischen Umfeld erklärten Analysten, die neueste FSD-Version 13 lasse Tesla-Ankündigungen zu autonomen Fahren in 2025 realistischer erscheinen.
Musk: Tesla ohne FSD-Lösung im Prinzip nichts wert, jungen Elektroauto-Firmen droht Pleite
Zum Ende des Jahres 2024 hin steckte also reichlich Autonomie-Zukunftshoffnung im Aktienkurs von Tesla. Insofern hat sich gar nicht so viel verändert, denn schon in den Vorjahren war das Unternehmen höher bewertet, als trotz damals hohem Wachstum allein seine Elektroauto-Verkäufe gerechtfertigt hätten. CEO Musk sagte seit 2021 mehrmals, dass funktionierende FSD-Software für den Tesla-Wert viel bedeutender sei, wobei er in seine Definition von Autonomie-Produkten inzwischen auch den Roboter Optimus einbezieht.
Elektroauto-Wachstumsziele gestrichen
Zugleich war 2024 allerdings das Jahr, in dem Tesla Abschied von dem Ziel von 20 Millionen Elektroautos in 2030 nahm, das seit August 2021 galt. Schon Ende 2023 hatte Musk gesagt, dass Tesla nicht unbegrenzt lang schnell wachsen könne, und damit im Prinzip das verwandte Ziel von 50 Prozent Wachstum beim Elektroauto-Verkauf über mehrere Jahre kassiert. Im Mai 2024 erschien dann der Impact Report des Unternehmens, in dem auch von den 20 Millionen in 2030 keine Rede mehr war.
Ende Dezember erwarteten Analysten im Durchschnitt nicht, dass Tesla im vierten Quartal die mindestens gut 515.000 Fahrzeuge verkaufen würde, die nötig wären, um wie im Oktober angekündigt leichtes Wachstum gegenüber ganz 2023 zu erzielen. Die Aussicht auf vorerst kein oder wenig Elektroauto-Wachstum bei Tesla scheint die Börse im Verlauf von 2024 verdaut zu haben. Aber umso empfindlicher könnten Anleger im Jahr 2025 reagieren, wenn es mit FSD technisch und regulatorisch nicht so schnell vorangeht wie zuletzt erhofft.